Das Kunstwerk als Porträt.
nicht hineingedacht, sondern hineingezeugt
sind aus der simplen Porträtgesinnung heraus."
„Und diese Porträtgesinnung," sagte der
Schriftsteller, „ist der einzige Schutz des Künst-
lers vor einem vorwitzigen, unziemlichen Tätig-
werden seines Geistes. Die ältere Ästhetik hat
im Kunstschaffen ein „unklares Denken" sehen
wollen. Das ist nicht ganz falsch; nur darin
verfehlt es die Wahrheit, daß ein unklares
Denken ja ein getrübtes, unvollkommenes Den-
ken wäre, wohingegen der Künstler beim Schaf-
fen mit unzweideutiger Klarheit empfindet:
Jetzt, indem du schaffst, bist du über die Sphäre
der Begriffe hinausgegangen in die Urregion, wo
Sein und Denken noch nicht geschieden sind
und wo man auf das begriffliche Denken herab-
blickt als auf ein Verfallsprodukt der ursprüng-
lichen Schöpfungseinheit. Da ist nichts von
Unklarheit, sondern Überklarheit, da ist die
siegreiche Gewißheit, daß man mit dem Leben-
digen zugleich alles Denkmögliche erschafft."
„Ach ja," sagte der Maler, „die Ästhetiker
haben mancherlei produziert. Aber, mein Lie-
ber, ich wünschte, wir kämen bald wieder in
eine Zeit, da die Gelehrten dumme Dinge über
die Kunst sagen und die Künstler gescheite
Sachen machen. Der Welt und uns wäre wohler
dabei. Und nun an die Arbeit." willy frank.
london,
nation\l-
galerie.
photo:
hanf-
staengl.
TIZIAN. DETAIL AUS »BACCHUS UND ARIADNE« 1523.
nicht hineingedacht, sondern hineingezeugt
sind aus der simplen Porträtgesinnung heraus."
„Und diese Porträtgesinnung," sagte der
Schriftsteller, „ist der einzige Schutz des Künst-
lers vor einem vorwitzigen, unziemlichen Tätig-
werden seines Geistes. Die ältere Ästhetik hat
im Kunstschaffen ein „unklares Denken" sehen
wollen. Das ist nicht ganz falsch; nur darin
verfehlt es die Wahrheit, daß ein unklares
Denken ja ein getrübtes, unvollkommenes Den-
ken wäre, wohingegen der Künstler beim Schaf-
fen mit unzweideutiger Klarheit empfindet:
Jetzt, indem du schaffst, bist du über die Sphäre
der Begriffe hinausgegangen in die Urregion, wo
Sein und Denken noch nicht geschieden sind
und wo man auf das begriffliche Denken herab-
blickt als auf ein Verfallsprodukt der ursprüng-
lichen Schöpfungseinheit. Da ist nichts von
Unklarheit, sondern Überklarheit, da ist die
siegreiche Gewißheit, daß man mit dem Leben-
digen zugleich alles Denkmögliche erschafft."
„Ach ja," sagte der Maler, „die Ästhetiker
haben mancherlei produziert. Aber, mein Lie-
ber, ich wünschte, wir kämen bald wieder in
eine Zeit, da die Gelehrten dumme Dinge über
die Kunst sagen und die Künstler gescheite
Sachen machen. Der Welt und uns wäre wohler
dabei. Und nun an die Arbeit." willy frank.
london,
nation\l-
galerie.
photo:
hanf-
staengl.
TIZIAN. DETAIL AUS »BACCHUS UND ARIADNE« 1523.