KICHARD SF.EWALD—MÜNCHEN.
»ITALIENISCHES HAUS« 1920.
DER MALER RICHARD SEEWALD.
Hat mancher Maler der heutigen Generation
äußerlich die Ausdrucksweise des Kindes
angenommen und ist sich dessen vielfach be-
wußt, so besitzt Richard Seewald die Vor-
aussetzungslosigkeit, nach der wir des neuen
Anlaufs wegen verlangen, kraft seines schlichten
Gemüts. Die bildhaften Eindrücke scheinen
ihm von frühauf durch jene naive Verwunderung
und Ehrfurcht vor den Dingen erwachsen zu
sein, die für die unverbildete Jugend wie für
den Menschen der Kleinstadt bezeichnend ist.
Und erst recht zeugt seine gestaltende Ein-
bildungskraft, die ihn zu mannigfaltigen Illu-
strationsfolgen befähigte, vonderungeminderten
Frische des Innenlebens, wie der Großstädter
sie sich nur selten zu bewahren vermag. Daher
halten mehr äußere Bedingungen den an der
Ostsee aufgewachsenen Arnswalder seit Jahren
in München fest, Voraussetzungen des äußeren
Lebens, während er seine seelischen Anregun-
gen auf weiten Fahrten sucht. Sie führen ihn
immer wieder in die Stille eines weiten Horizonts,
der dem aus niederdeutschem Flachland Stam-
menden wesenseigentümliche Sehnsucht bleibt.
Hier sind nur einige Ergebnisse der letzten
Jahre ausgewählt, während die diesjährige Aus-
stellung bei Gurlitt in zurückgreifenden Bei-
spielen zum ersten Mal in Norddeutschland auch
den raschen Entwicklungsgang dieses für sich
stehenden Autodidakten erkennen ließ. Der
zeichnerische Stil, der ihm von der Illustration
her geläufig war, ist mehr und mehr durch eine
tonige Malerei verdrängt, die graphische Um-
schreibung, die leidenschaftlicher und momen-
taner wirkte, ist einer klaren Körperlichkeit
und Zuständlichkeit in den Bildern gewichen
und hat sich in den großen Glasfenstern zu
voller Festigkeit des Konturs abgeklärt.
Vergeblich fragt man sich bei diesem Künstler
nach dem Schulzusammenhang. Und doch führt
ihn sein Weg irgendwie auf der großen Linie
der Tradition, wenn auch die Form seiner Syn-
these, wie alles unbewußt Wirkende, jetzt noch
nicht erkennbar ist. Er entmannt eben nicht
sein alles umspannendes Bewußtsein europä-
ischer Kunstentwicklung, von dem die vielen
Unbedingten sich losreißen möchten. Deshalb
ist er vor dem extremen Radikalismus bewahrt
geblieben. Seewald gelang es daher früher als
anderen die von der expressionistischen Ent-
X*V. Januar 1Q32. 1
»ITALIENISCHES HAUS« 1920.
DER MALER RICHARD SEEWALD.
Hat mancher Maler der heutigen Generation
äußerlich die Ausdrucksweise des Kindes
angenommen und ist sich dessen vielfach be-
wußt, so besitzt Richard Seewald die Vor-
aussetzungslosigkeit, nach der wir des neuen
Anlaufs wegen verlangen, kraft seines schlichten
Gemüts. Die bildhaften Eindrücke scheinen
ihm von frühauf durch jene naive Verwunderung
und Ehrfurcht vor den Dingen erwachsen zu
sein, die für die unverbildete Jugend wie für
den Menschen der Kleinstadt bezeichnend ist.
Und erst recht zeugt seine gestaltende Ein-
bildungskraft, die ihn zu mannigfaltigen Illu-
strationsfolgen befähigte, vonderungeminderten
Frische des Innenlebens, wie der Großstädter
sie sich nur selten zu bewahren vermag. Daher
halten mehr äußere Bedingungen den an der
Ostsee aufgewachsenen Arnswalder seit Jahren
in München fest, Voraussetzungen des äußeren
Lebens, während er seine seelischen Anregun-
gen auf weiten Fahrten sucht. Sie führen ihn
immer wieder in die Stille eines weiten Horizonts,
der dem aus niederdeutschem Flachland Stam-
menden wesenseigentümliche Sehnsucht bleibt.
Hier sind nur einige Ergebnisse der letzten
Jahre ausgewählt, während die diesjährige Aus-
stellung bei Gurlitt in zurückgreifenden Bei-
spielen zum ersten Mal in Norddeutschland auch
den raschen Entwicklungsgang dieses für sich
stehenden Autodidakten erkennen ließ. Der
zeichnerische Stil, der ihm von der Illustration
her geläufig war, ist mehr und mehr durch eine
tonige Malerei verdrängt, die graphische Um-
schreibung, die leidenschaftlicher und momen-
taner wirkte, ist einer klaren Körperlichkeit
und Zuständlichkeit in den Bildern gewichen
und hat sich in den großen Glasfenstern zu
voller Festigkeit des Konturs abgeklärt.
Vergeblich fragt man sich bei diesem Künstler
nach dem Schulzusammenhang. Und doch führt
ihn sein Weg irgendwie auf der großen Linie
der Tradition, wenn auch die Form seiner Syn-
these, wie alles unbewußt Wirkende, jetzt noch
nicht erkennbar ist. Er entmannt eben nicht
sein alles umspannendes Bewußtsein europä-
ischer Kunstentwicklung, von dem die vielen
Unbedingten sich losreißen möchten. Deshalb
ist er vor dem extremen Radikalismus bewahrt
geblieben. Seewald gelang es daher früher als
anderen die von der expressionistischen Ent-
X*V. Januar 1Q32. 1