W. GEIGER-
MÜNCHEN.
BILDNIS J. W.
WILLI GEIGER.
Das letzte Ereignis der Münchener Malerei
hieß Albert Weisgerber. Zwischen ihm
und dem linearen Spiritualismus Schwalbachs,
des leider nicht mehr allzulebendigen besten
Schwalbach, käme der neue Willi Geiger zu
stehen, stünde er nicht, der Entwicklungsfolge
nach, über den beiden.
Der malerische Impetus, den wir von Weis-
gerber gewohnt waren, hat sich erhalten, aber
das allzu bewußte Hinhorchen auf die Zeit und
die Meinungen der Kunstverständigen, diese
manchmal störende Weisgerber'sche Überge-
scheitheit und zugleich Unsicherheit, die immer
erst wieder starker Anstiege des Triebhaften
bedurfte, um von Gesehenem und — Gelesenem
frei zu werden, sie fehlt. Geiger ist wohl nicht
naiver, aber chaotischer, minder weltläufig, min-
der aktivistisch, minder belesen als Weisgerber,
geneigter, aus der Faust zu konstruieren, Fehler
stehen zu lassen, gelassen an etwas vorüber zu
gehen, das man gesehen, gemalt haben muß.
Weisgerber fand in einem wichtigen Moment
seines leider allzufrüh geendeten Lebens Ce-
zanne; Geiger hat nur seine Nerven, aber sie
sind ein Abgrund und nicht wie bei so Vielen
ein einmaliges und dann zur täglichen ästheti-
schen Toilette gewordenes Erlebnis.
Darum empiinden wir seine Grau in Grau
wiedergegebenfastnichtssagendenGestaltungen
zuerst garnicht als Stil. Nach dieser Richtung
zielt bei Geiger nicht das mindeste bewußte
Streben. Er konturiert nicht, am wenigsten wie
Schwalbach mit bewußt gepflegter krypto-
archaischer Nuance, und fällt bei den hier ge-
zeigten Proben auch so etwas auf wie die Hand-
habung einer linearen Form, die Brüche und
Schwünge, Kurven und Knitterungen, gekrau-
sten und gewundenen Pinselgänge, an denen
das bisher vorliegende Gesamtwerk viel reicher
ist, als die paar Proben hier vermuten lassen,
sind doch nur eine Beiläufigkeit der Malerei
gegenüber, sind vor allem kein System, sind
niemals gewollte, sondern von Fall zu Fall in-
tuitiv ertastete Hilfskonstruktionen, ohne welche
die malerische Vision nicht leben kann.
— Bei Geiger wirkt dies formale Element, spot-
XXV. Jinuir 1922. 2
MÜNCHEN.
BILDNIS J. W.
WILLI GEIGER.
Das letzte Ereignis der Münchener Malerei
hieß Albert Weisgerber. Zwischen ihm
und dem linearen Spiritualismus Schwalbachs,
des leider nicht mehr allzulebendigen besten
Schwalbach, käme der neue Willi Geiger zu
stehen, stünde er nicht, der Entwicklungsfolge
nach, über den beiden.
Der malerische Impetus, den wir von Weis-
gerber gewohnt waren, hat sich erhalten, aber
das allzu bewußte Hinhorchen auf die Zeit und
die Meinungen der Kunstverständigen, diese
manchmal störende Weisgerber'sche Überge-
scheitheit und zugleich Unsicherheit, die immer
erst wieder starker Anstiege des Triebhaften
bedurfte, um von Gesehenem und — Gelesenem
frei zu werden, sie fehlt. Geiger ist wohl nicht
naiver, aber chaotischer, minder weltläufig, min-
der aktivistisch, minder belesen als Weisgerber,
geneigter, aus der Faust zu konstruieren, Fehler
stehen zu lassen, gelassen an etwas vorüber zu
gehen, das man gesehen, gemalt haben muß.
Weisgerber fand in einem wichtigen Moment
seines leider allzufrüh geendeten Lebens Ce-
zanne; Geiger hat nur seine Nerven, aber sie
sind ein Abgrund und nicht wie bei so Vielen
ein einmaliges und dann zur täglichen ästheti-
schen Toilette gewordenes Erlebnis.
Darum empiinden wir seine Grau in Grau
wiedergegebenfastnichtssagendenGestaltungen
zuerst garnicht als Stil. Nach dieser Richtung
zielt bei Geiger nicht das mindeste bewußte
Streben. Er konturiert nicht, am wenigsten wie
Schwalbach mit bewußt gepflegter krypto-
archaischer Nuance, und fällt bei den hier ge-
zeigten Proben auch so etwas auf wie die Hand-
habung einer linearen Form, die Brüche und
Schwünge, Kurven und Knitterungen, gekrau-
sten und gewundenen Pinselgänge, an denen
das bisher vorliegende Gesamtwerk viel reicher
ist, als die paar Proben hier vermuten lassen,
sind doch nur eine Beiläufigkeit der Malerei
gegenüber, sind vor allem kein System, sind
niemals gewollte, sondern von Fall zu Fall in-
tuitiv ertastete Hilfskonstruktionen, ohne welche
die malerische Vision nicht leben kann.
— Bei Geiger wirkt dies formale Element, spot-
XXV. Jinuir 1922. 2