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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 49.1921-1922

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Pécsi, József: [Zur Porträt-Photographie unserer Tage]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9142#0250

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Zur Porträt-Photographie unserer Tage.

lichkeit und leichte Erfolge aber verführen, und
mit Bedauern sehen wir, wie eben die Photo-
graphie, die doch schon fast den rechten Weg
ging, verfälscht wird durch Leute, deren ganze
„Kunst" darauf gerichtet ist, durch bloße Äußer-
lichkeiten den Eindruck des Malerischen her-
vorzurufen, statt alle Kraft auf das Suchen
echter Werte zu vereinigen.

Das schönste und schwierigste Problem der
Photographie ist, Luft und Raum suggestiv zum
Ausdruck bringen zu können. Obgleich die ein-
schlägigen Versuche bereits schöne Erfolge ge-
zeitigt haben, gibt es doch bisher wenig gute
Lösungen dieser Aufgabe. Möglicherweise ha-
ben gerade die auf diesem Gebiete noch der
Bewältigung harrenden Fragen einige in eine
falsche Richtung gedrängt und solcherart auch
jene Ersatzmittel von wohlfeiler Wirkung her-
vorbringen helfen, die ein starkes Abweichen
von den wirklichen Zielen der Photographie be-
deuten und obendrein mit Recht Abneigung bei
der ernsten Kritik auslösen. Wohldurchdachte
und natürliche Hintergrundlösungen werden zu-
nichte gemacht durch gekünstelte, auf die Platte
gemalte banale Hintergründe, und wie gewandt
diese auch hingepinselt sein mögen, sie rufen
doch die Erinnerung an die Photographenhinter-
gründe einer verschollenen Zeit wach, die ein
eitles und großtuerisches Publikum durch den
eleganten Rahmen einer vornehmen Umgebung
zufriedenzustellen beflissen war. Es ist ein
großer Rückfall, wenn der Photograph in seine
Aufnahmen nach Gemälden kopierte Landschaf-
ten, drapierte Säulen und sonstigen Schnick-
schnack hineinzeichnet, um auf diesem Wege
den Hintergrund irgendwie auszudrücken. Eine
diskretere Form dieses Fehlers ist es, wenn
kraftloses Licht verstärkt und durch das Auf-
setzen leichter, bravouröser Lichtflecke belebt
werden soll, wobei aber nicht beachtet wird,
wie sehr diese Zutaten von der typischen Struk-
tur des photographischen Bildes abstechen.
Diese tiefstehenden Handfertigkeiten sind eine
Art Hinüberblinzeln in die heiligen Gefilde von
Zeichnung und Malerei; stören doch diese
manierierten Äußerlichkeiten, zu deren Anhän-
gern leider auch viele Porträt - Photographen
zählen, die mit ihren Arbeiten verheißungsvolle
Proben von Geschmack und ernstem Aufgehen in
ihrem Beruf geliefert haben, nur die schönen und
in ihrer Art edlen photographischen Wirkungen.

Durch mancherlei äußere Mittel und Künste-
leien versucht man der stetig sinkenden Porträt-

Photographie neues Leben einzuhauchen, dem
Niedergang durch Auffrischung ein Gegenge-
wicht zu bieten und so eine Fortentwicklung
vorzutäuschen. Insbesondere begegnen wir den
Theater- und Kinosternen häufig in den photo-
graphischen Beilagen der Modeblätter, und wir
hallen es auch für richtig, daß die Photographie
als gewissenhafte Beobachterin aller Mode-
schwankungen auch ein bedeutsames kulturge-
schichtliches Dokument werde. Es kann aber
nicht ihr Hauptziel sein, durch auf leere Formeln
geglättete, in den Gesichtszügen bis zur Aus-
druckslosigkeit balsamierte und affektierte Ein-
stellungen von Bühnenschönheiten auch die
große Menge in eine ihr doch wesensfremde
Welt hineinzuzaubern. Wir halten es für über-
aus schädlich, wenn diese Sorte Bilder als In-
begriffe des Bildnisses Bürgerrecht erlangt.

Dieser Art gekünstelten Porträts geht jede
bezeichnende Form, jedes belebte Mienenspiel,
jede natürliche Regung ab. Die Steifheit der
für die Aufnahme ohnehin ziemlich stark herge-
richteten Gesichter wird durch eine allzu aus-
giebige Retusche noch weiter entgeistert. Auch
der trivialen Wahl der Beleuchtung fehlt die im
Spiel vom Licht und Schatten liegenden Kraft,
desgleichen mangelt der Reichtum einer fein-
geschwungenen Tonskala, aus dem allein die
Lebenswahrheit von Teint und Gesichtszügen
sprießen kann. Bloß Plastik und eine kreidige
Weißheit wird mit Hilfe grober Mittel vorge-
logen, die, Hand in Hand mit den sonstigen be-
stechenden Banalitäten, die Kunden, aus den
Kreisen eines Publikums von unsicherem Schön-
heitssinn, anziehen sollen. Jeder Natürlichkeit
bare, gesuchte und verzwickte Gesten setzen
diesen Modebildern die Krone auf. Und auf
Grund solcher konventioneller Reize erheben
diese Arbeiten Anspruch auf die Bezeichnung
„modern" und „künstlerisch"! Solche Ver-
irrungen und Seitensprünge bringen leider die
Entwicklung der Photographie nicht nur fast
zum Stillstand, sondern machen auch jene
schwankend, die noch an den Kunstwert der
Photographie glauben. Glücklicherweise kennen
wir so zahlreiche Proben wirklicher Vertiefung
in ernste Probleme photographischer Betätigung,
daß wir mit Recht eine Ausdruckform erhoffen
dürfen, die unabhängig bleibt von jedem stö-
renden fremden Einfluß und Eingriff. Es kann
einer auf der Tonleiter weiß-schwarz wie ein
Virtuos spielen, auch wenn sein einziges Instru-
ment die Kamera ist.......... jozsef p£csi.

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