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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 49.1921-1922

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Usinger, Fritz: Unendlichkeit und Raumerlebnis in der Malerei
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.9142#0294

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Unendlichkeit und Raumerlebnis in der Malerei.

REINHOLD
EWALD.
SEITEN BILD
EINES TRI-
PTYCHONS.

schweren Mantel vor Ohr und Wange, wie um
sich vor dem Wind zu schützen! Diese Be-
wegung und das unsichtbar Wehende ist es, das
uns erschüttert, diese Abwehr gegen unsicht-
bare Gewalt. Lebend steht diese Frau da,
gedeckt hinter dem Mantel, in der Kälte des
großen Chores, scheu und ängstlich im unge-
heuren Atem Gottes. Und neben ihr der Gatte,
robust, unempfindlich, ein Koloß von Mann.
Oder man betrachte die Plastik Rodins. Hier
ist die Unendlichkeit der schwere Stein, aus
dem die Figuren oft nur teilweise herausgehoben
werden. Der Mensch ist nur ein Fragment, nur
ein Torso, aus dem immer vollkommenen All
hervorgetrieben. Bei dem Griechen ist der

Mensch das Vollkommene, Abgeschlossene,
In-sich-ruhende. Zwei Extreme stehen sich hier
gegenüber. Die Gesetze des einen können nicht
für das andere gelten. Wenn trotzdem die
Sehnsucht des nordischen Menschen oft nach
Griechenland zog, war es entweder die Attrak-
tion der Gegenpole oder es wirkten andere
Gründe mit. Die griechische Malerei kennt
auch keine Darstellung der Raumtiefe. Oswald
Spengler hat das große Verdienst, die Bedeu-
tung des Raum- und Perspektivenproblems in
der Malerei voll erkannt zu haben. Er weist
auf das Fehlen oder die Andersartigkeit der
Perspektive in der Malerei fremder Kulturen
hin, so der ägyptischen, arabisch-byzantinischen,
 
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