Unendlichkeit und Raumerlebnis dl der Malerei.
WF.IX
HABICHT-
DARMSTADT.
PLASTIK
»KNIENDE«
SANDSTEIN.
chinesischen und japanischen. In der altdeut-
schen Malerei hat das Erlebnis der Raumtiefe
schon höchste künstlerische Gestaltung gefun-
den. Hinter der Marter der Heiligen, hinter den
Szenen aus dem Leben Christi dehnt sich die
unendliche Weite der Landschaft mit phanta-
stischem Gebirg, feenhaften Städten, unabseh-
barem Meer, alles oft in ein unwirklich tiefes,
gleichmäßiges Blau getaucht. Ist es das über-
steigerte Blau jeder Ferne, hier nur nicht mehr
naturalistisch gegeben in Schattierungen der
Atmosphäre, sondern bedeutungshaft einheitlich
aufgetragen als das Fern-Blau? Erstaunt nicht
die Selbstverständlichkeit, mit der es sich ein-
stellt? Es mußte ein unbewußt Naheliegendes
sein. Erhalten nicht allegorische Figuren Dürers
wie die „Melancholie" oder das „Große Glück"
ihre kosmische Beziehung erst durch den Hin-
tergrund, vor den sie gestellt sind? Aber um
diese Zeit ist ja auch schon der Höhepunkt, er-
scheint eines der mächtigsten Bilder aller Ma-
lerei: die „Alexanderschlacht" von Altdorfer.
Ein solcher Himmel wie der über dem Schlacht-
feld ward noch nicht gesehen. Seine Dimen-
sionen, durch Wolkenstaffeln und eine ganz
tief über dem Horizont liegende, strahlen-
schießende Sonne projiziert, gehen ins Mythische
wie die Heereszüge Alexanders. In diesem gar
nicht großen Bild ist die Unendlichkeit. Welche
Größe menschlicher Idee und innerer Anschau-
ung! Welche Größe künstlerischer Gestaltungs-
kraft, die solches bildlich zu fassen vermag I
Wir finden dasselbe Raumerlebnis weiter durch
alle Stationen der europäischen Kunst, bei
Rembrandt, bei Watteau, bei Corot, bei Kaspar
David Friedrich. Ja, bei Spitzweg findet es sich
bis in ganz genrehafte Bilder hinein. Für ihn
ist fast typisch: im dichten Wipfelgewoge die
Bresche ins Blaue. Sie ist aus der Bürger-Welt
vieler seiner Vorwürfe heraus immer das Luft-
loch in die größere Region. Für die europäische
Malerei bis zum Expressionismus gehören die
WF.IX
HABICHT-
DARMSTADT.
PLASTIK
»KNIENDE«
SANDSTEIN.
chinesischen und japanischen. In der altdeut-
schen Malerei hat das Erlebnis der Raumtiefe
schon höchste künstlerische Gestaltung gefun-
den. Hinter der Marter der Heiligen, hinter den
Szenen aus dem Leben Christi dehnt sich die
unendliche Weite der Landschaft mit phanta-
stischem Gebirg, feenhaften Städten, unabseh-
barem Meer, alles oft in ein unwirklich tiefes,
gleichmäßiges Blau getaucht. Ist es das über-
steigerte Blau jeder Ferne, hier nur nicht mehr
naturalistisch gegeben in Schattierungen der
Atmosphäre, sondern bedeutungshaft einheitlich
aufgetragen als das Fern-Blau? Erstaunt nicht
die Selbstverständlichkeit, mit der es sich ein-
stellt? Es mußte ein unbewußt Naheliegendes
sein. Erhalten nicht allegorische Figuren Dürers
wie die „Melancholie" oder das „Große Glück"
ihre kosmische Beziehung erst durch den Hin-
tergrund, vor den sie gestellt sind? Aber um
diese Zeit ist ja auch schon der Höhepunkt, er-
scheint eines der mächtigsten Bilder aller Ma-
lerei: die „Alexanderschlacht" von Altdorfer.
Ein solcher Himmel wie der über dem Schlacht-
feld ward noch nicht gesehen. Seine Dimen-
sionen, durch Wolkenstaffeln und eine ganz
tief über dem Horizont liegende, strahlen-
schießende Sonne projiziert, gehen ins Mythische
wie die Heereszüge Alexanders. In diesem gar
nicht großen Bild ist die Unendlichkeit. Welche
Größe menschlicher Idee und innerer Anschau-
ung! Welche Größe künstlerischer Gestaltungs-
kraft, die solches bildlich zu fassen vermag I
Wir finden dasselbe Raumerlebnis weiter durch
alle Stationen der europäischen Kunst, bei
Rembrandt, bei Watteau, bei Corot, bei Kaspar
David Friedrich. Ja, bei Spitzweg findet es sich
bis in ganz genrehafte Bilder hinein. Für ihn
ist fast typisch: im dichten Wipfelgewoge die
Bresche ins Blaue. Sie ist aus der Bürger-Welt
vieler seiner Vorwürfe heraus immer das Luft-
loch in die größere Region. Für die europäische
Malerei bis zum Expressionismus gehören die