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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 50.1922

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Muther, Richard: Weglassen und Vereinfachen
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https://doi.org/10.11588/diglit.9143#0026

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giotto. arena in padua.

»der erzengel erscheint der hl. anna«

WEGLASSEN UND VEREINFACHEN.

Stil ist Weglassen des Unwesentlichen", sagt
Feuerbach. Und das paßt auf Giotto. Sein
Geheimnis liegt in dem großen Zug der Linien,
in der klaren Anordnung der Gruppen, in der
strengen Unterordnung aller Einzelheiten. Nie
wirren und drängen sich die Figuren. Deutlich
sondern sich die Gruppen ab. Sofort wird das
Auge auf die Hauptfigur, auf das Entscheidende
des Vorganges gelenkt. Da sich die hohe Ge-
tragenheit des Monumentalstils auch nicht mit
jähen Wendungen und unsichern Gesten ver-
trägt, bildet er sich eine feststehende Gebärden-
sprache, die wie die Schriftsprache für die glei-
chen Dinge immer die gleichen Worte benützt
und so dem Betrachter sofort beibringt, was
die Figuren sagen. Ein signifikanter Blick, eine

ausdrucksvolle Bewegung mit der Hand und
des Körpers kommentieren die Handlungen und
Stimmungen der Personen, sodaß die Bilder
wie die Gesänge eines Epos am Betrachter vor-
überziehen. Nur indem er auf alles Kleinliche,
auf alle naturalistische Einzelheiten verzichtete
und die Natur vereinfachte, um sie noch ele-
mentarer sprechen zu lassen, konnte er seinen
Werken jene sakramentale Würde geben, die
dem Thema sowohl wie dem Stil dekorativer
Kunst entspricht. Das haben auch einige
Künstler des nächsten Jahrhunderts noch sehr
wohl gefühlt. Denn noch Ghiberti, als er die
Bronzetüren des Florentiner Baptisteriums
schuf, und Mantegna folgten im Grunde nur
den Prinzipien Giottos..... Richard muther.

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