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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 50.1922

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Esswein, Hermann: Die deutsche Gewerbeschau München 1922
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Frank, Willy: Aus der Welt des Künstlers
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https://doi.org/10.11588/diglit.9143#0292

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Die Deutsche Gewerbeschein, München 1922.

282

könnte, ein willkürlich ornamentales Verzerren
und Veräußerlichen der Dinge, die ihre Bil-
dungsgesetze in sich selber tragen, scheint mir
nicht akut. Eher scheinen mir, da es die Luxus-
objekte sind, die auf der Bahn des Fortschritts
vorangehen, das zum Teil schablonenhafte und
blasse Wesen des Gebrauchsguts einer Auf-
frischung durch erfinderische Künstler zu be-
dürfen. Die maschinelle Herstellung des Stapel-
artikels ist heute ja längst kein Hindernis mehr,
ihn raffiniert geschmackvoll zu gestalten. Man
begnügt sich jetzt auf diesem Gebiet noch zu
rasch mit dem bloßen Vermeiden überkommener
Geschmacksfehler, so daß es schon als eine
recht erhebliche Wendung zum Positiven zu
gelten hat, wenn, bei Geschirr zum Beispiel,

ohne verwerfliche Altertümelei auf klassische
alte Gebrauchsformen zurückgegriffen wird.

Von Sonderabteilungen wie dem inhalts-
reichen Bremer Haus und der weit über die
Darbietung von Köln 1914 bedeutsamen Ab-
teilung für Theaterkunst „Das deutsche Büh-
nenbild unserer Zeit", wäre noch viel zu
berichten, aber da ein einzelner Aufsatz den
Stoff doch nicht zu erschöpfen vermag, so möge
dem Leser diese Kennzeichnung des Wesent-
lichsten genügen. Ist doch die Darbietung selbst
gleichsam ein fesselnder Umriß, dem erst spä-
tere, ruhigere Arbeitsjahre den Inhalt geben
können, welcher der Welt zeigen wird, daß wir
nicht nur die Alten geblieben, sondern ein gut
Stück weiter gekommen sind, hermann esswein.

AUS DER WELT DES KÜNSTLERS.

Der Wert, den ein Schaffender innerhalb des
geistigen Lebens seiner Nation bedeutet,
bleibt nicht für alle Zeit der gleiche. Nicht nur
die Werte der Gegenwart stehen unter einem
fortwährenden Wandel; auch die Vergangenheit
verschiebt sich unaufhörlich und kommt, trotz
ihrer anscheinenden Abgeschlossenheit, nie zur
Ruhe. Das kommt daher, daß wir alle Ver-
gangenheit von unserm Heute aus zu deuten
und zu bewerten pflegen. Für die Wertwelt
des Menschen gibt es nichts Vergangenes; alles
ist Gegenwart. Man mag daran denken, wie
etwa durch die Jahrhundert-Ausstellung deut-
sche Künstler in unsern Gesichtskreis gezogen
wurden, deren Namen im 19. Jahrhundert fast
vergessen waren; wie Greco und Magnasco,
die längst verstorbenen, zu wichtigen Zeitge-
nossen wurden; wie Grünewald erst in den
letzten Jahren aus einer sonderbaren Obskurität
erlöst wurde, um geradezu den Königsszepter
deutscher Malerei zu ergreifen. Man mag an
die Wertverscbiebungen der chinesischen und
japanischen, der indischen und ägyptischen
Kunst denken. All das beweist, daß die Ver-
gangenheit ein wichtiger, vielleicht der wichtigste
Bestandteil der Gegenwart ist. Jede Gegen-
wart begibt sich alsbald auf die Ahnensuche;
und wie früher jedes Herrschergeschlecht eine
Legende um seinen Ursprung wob und ihn bis
auf die Götter zurückführte, so weiß auch jede
herrschende Epoche vergangene Götter zu fin-
den, von denen sie abzustammen behauptet.
Jede Gegenwart geht suchend über die Gefilde
der Vergangenheit. Sie führt ihre Nöte und
Bedürfnisse wie eine Wünschelrute in der Hand
und findet damit im Gräberfeld die Quellen
und Erze, deren sie bedarf. Mancher Mann

bedeutet im geistigen Leben seines Volkes nur
einen kurzfristigen Einsatz von augenblicklichem
und rasch verbrauchtem Erfrag. Dafür erweisen
sich andere als weitausschauende und breit ange-
legte Unternehmungen, die spät, aber dann um
so reicher zu Frucht und Nutzen kommen.
*

Jeder Künstler kommt in seinem Leben zwei-
mal „zum Zug". Er unternimmt in der Ju-
gend den ersten Anlauf. Er hat damit Erfolg
oder Mißerfolg. Es ist nun eine merkwürdige
Erscheinung, daß diese erste Entscheidung
der Mitwelt über den Künstler nach Ablauf von
etwa zwei Jahrzehnten, um den Eintritt in die
vierziger Jahre seines Lebens, nachgeprüft zu
werden pflegt. Es erfolgt eine Art Wiederauf-
nahme-Verfahren, es erfolgt eine zweite Ur-
teilsfällung. Es erfolgt eine nochmalige Siebung
der ganzen Generation, durch die festgestellt
wird, inwieweit das Urteil erster Instanz durch
Gunst oder Abgunst zeitbedingter Umstände
beeinflußt war. Der Gewinn aus dieser Beob-
achtung ist der, daß der Weg eines Künstlers
durchaus stracks in der einmal eingeschlagenen
Erfolgs- oder Mißerfolgsbahn weitergeht. Der
Erfolgreiche hat zu gewärtigen, daß er bei der
zweiten Urteilsfällung verdammt und zum Un-
wertigen geworfen wird. Der beim ersten Ur-
teil beiseite Geschobene darf damit rechnen,
daß die zweite Instanz ihn mit Ehren hervorholt
und sein Werk endgültig in die geistige Wert-
welt der Nation einreiht. Es gibt viele Beispiele
für das eine wie das andere. Und es folgt
daraus, daß der eine dem Erfolg nicht allzu
bequem vertrauen darf und daß der andere eine
unter Umstände Jahrzehnte dauernde Obskurität
mutig auf sich nehmen muß.....willy frank.
 
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