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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 50.1922

DOI Artikel:
Pfister, Kurt: Glaspalast München 1922
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Frank, Willy: Die neue Gebärde
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https://doi.org/10.11588/diglit.9143#0327

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julius hüther.

»badende kinder«

DIE NEUE GEBÄRDE.

Goethe hielt nicht viel von den „originalen"
Geistern. Und doch wird seit je und heute
noch vom Künstler in erster Linie „Originali-
tät" verlangt. Liegt hier ein Widerspruch vor?
Und wie ist er zu erklären?

Die Forderung nach „Originalität" ist durch-
aus berechtigt. Es fragt sich nur, in welcher
Sphäre des Menschen sie verankert ist, in der
Tiefe oder an der Oberfläche. Goethe verdammt
nur diejenige Originalität, die im Bereich der
äußeren Gebärde, als bloße, leere „Neologie",
zum Vorschein kommt. Von echter Originalität
können wir nur da sprechen, wo in der Tiefe
des Menschen ein starkes, eigenes Weltbild
liegt, wo Fähigkeit oder vielmehr Zwang ist, alte
Probleme neu zu sehen, wo Kraft und über-
mächtiger Antrieb zu neuer Form gegeben ist.
Man darf das Neue nicht machen, man muß
es sein. — Wird aber nicht das neue Sein
auch eine neue und originale Gebärde haben.

Dazu ist zu sagen, daß der Künstler, je mehr
er das Neue ist, desto weniger Wert darauf
zu legen pflegt, mit neuer Gebärde zu glänzen.
Im Gegenteil: er wird, weil er sich im Besitz
der neuen Impulse weiß, allen Wert darauf
legen, im Bereich der Gebärde sich einzufügen,
sich anzuschließen, unterzutauchen in Schick-
lichkeit und Überlieferung. Er wird das Her-
ausquellen seiner neuen inneren Welt ganz
einfach geschehen lassen und wird alles Ge-
bärdenhafte, das von außen kommt, als eine
Verunreinigung, als eine Trübung der ihm ein-
geborenen neuen Form abstoßen. Form und
Gebärde sind zweierlei; sie sind sich durchaus
feindlich entgegengesetzt. Form ist einmalige
und notwendige Gestalt. Gebärde ist über-
geworfenes Kleid. Form gehört zum Sein, Ge-
bärde zum Wollen und Machen. Form ist das
Verkörpernde und Enthüllende, Gebärde ist
das Fälschende und Verdeckende..... w. f.

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