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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 50.1922

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Gorge, Hugo: Von bürgerlichen Wohnräumen
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https://doi.org/10.11588/diglit.9143#0047

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architekt hugo gorge—wien.

>aus einem wohnzimmer«

VON BÜRGERLICHEN WOHNRÄUMEN.

Die Behaglichkeit eines Raumes wird durch
seine Maße, die harmonischen Beziehungen
zwischen Wand und Decke, das Verhältnis zwi-
schen Türen, Fenster und Ofen bestimmt. Ist
diese Grundlage nicht vorhanden oder nicht zu
schaffen, so ist jede Mühe, den Raum durch seine
„Einrichtung" behaglich zu machen, erfolglos.

Im strengen, architektonischen Raum früherer
Zeiten bewegten sich auch die Menschen in
feierlich repräsentativer Weise. Die Zeiten
haben sich geändert. Der Mensch unserer Tage
ist weniger konventionell, freier in seinem We-
sen, seiner Gebärde, seinen Bewegungen ge-
worden. In der neuzeitlichen Wohnung muß
infolge dieser Ungezwungenheit und Absichts-
losigkeit der Bewegungen des jetzigen Men-
schen das Wohn-Gerät in ein ganz anderes
Verhältnis zu uns treten. Wir wollen die Möbel
nicht mehr in starrer, architektonischer Gebun-
denheit, sondern als „Möbel" im engeren Sinn,
als „Mobilia". Der moderne Mensch ist dann
das Mobilste inmitten mobiler Dinge, die wir
nach verschiedenen Möglichkeiten umstellen
können, um die wir herumgehen können, —
wobei sich von jeder Stelle des Zimmers neue
Raum-Wirkungen, neue Überschneidungen, neue
Eindrücke ergeben, die durch Stoffe und Tep-
piche noch bereichert werden. Feststehend

x*v. April 1922. 5

bleibt eigentlich nurnoch das Verhältnis zwischen
Tür, Fenster und Ofen; für Schreibtisch und Bett
ist ebenfalls — infolge der Beziehung zu Licht-
quelle und Tür — die Lage eine bestimmte. . .

In dieser neuzeitlichen Bürger-Wohnung er-
gibt sich von selbst eine Einschränkung der
Möbel auf das unumgänglich Notwendige.
Auf gute Tische, Sessel und Liege-Möbel wird
in erster Linie Wert zu legen sein. Der kul-
turelle Gewinn solcher Einschränkung wird sich
vor allem darin zeigen, daß, — wenn wir wie-
der wenige, aber gute Möbel in unseren Woh-
nungen haben, — wir wieder eine innigere
Beziehung zu diesen Einrichtungs-Stücken un-
seres Heims herstellen können. Als weitere
Folge ergäbe sich die Möglichkeit, unsere bür-
gerlichen Wohnräume kleiner zu gestalten,
und trotzdem keine Beengung, sondern größere
Bewegungs-Freiheit zu schaffen. . .

Unsere Arbeit hat nichts mit artistischem
Künstlertum zu tun, dessen Kennzeichen Ge-
fallsucht und geistige Inhaltlosigkeit bleiben.
Unsere Arbeit soll, als Ausdruck höchster
Menschlichkeit und sozialer Gesetzmäßigkeit,
Harmonie in unsere Lebensgemeinschaft brin-
gen. Damit ist dann wenigstens dem Ordent-
lichen, als natürlicher Bedingung des Da-
seins, Genüge getan.....hugo gorge—wien.

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