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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 50.1922

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Klein, Rudolf: Eugen Spiro
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https://doi.org/10.11588/diglit.9143#0083

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Eugen Spiro.

Subjektiven, wobei, merkwürdigerweise, nun,
fern von Paris ein sichtbarerer Einfluß der dor-
tigen Malkultur, speziell der eines Führers einer
ganzen Schule, der Einfluß Cezannes fühlbar
wird: die Farbe ist gewissermaßen weniger
atmosphärisch gestuft, summarischer dekorativ
behandelt, in gobelinarligen Flächen von breitem
Kontur umrissen aneinander gesetzt, als Materie
aufgelockert. Als gutes Beispiel dieser Art kann
die pikante Skizze „Unterhaltung" gelten, in
der für den, der sie kennt, die Personen oben-
drein treffend charakterisiert erscheinen. Aber
auch eine große Reihe in den letzten Jahren
an den oberitalienischen Seen entstandener
Landschaften tragen diese Handschrift. —

Zugleich befaßte der Künstler sich nun mit
dem Stilleben und man kann wohl sagen, daß
das, was er in den letzten Bildnissen und Land-
schaften koloristisch anstrebte, d. h. einen ver-
tieften Klang der Farbe, hier reiner und stärker
zum Ausdruck kommt, weil ohne jenes deko-
rativ- summarische, unmittelbarer aus seiner
Objektivität heraus und zugleich frei von fran-
zösischer Ingredienz. Der Künstler war hier
bestrebt, die Farbe an sich zu bestimmen, in
der Stärke ihres Lokaltons. Das fiel zumal auf,
wie bei einer wenig umfangreichen Kamelie die
leuchtend rote Blüte von dem feuchten dunklen
Grün abstach. In einem großen Stilleben „Dei
Geburtstagstisch" kehrt das gleiche Bestreben
in mannigfaltigeren Gegensätzen wieder. —

Erinnern wir uns nunmehr des Ausgangs des
Künstlers, wir meinen jene Zeit, da in München
seine leichte Hand sich nicht ohne Gefahr für
die Festigung so erfolgreich im Jugend-Kreise
betätigte, so ist es klar, daß ein solcher Maler
eine ergiebige Anlage zum improvisierend-
illustrativen Vortrag haben muß, d. h. zum er-
zählenden Graphiker und als solcher tritt er
dann mit dem Werke „Das Konzert" vor uns,
das er gemeinsam mit Oskar Bie herausgab und
in dem er die bekanntesten Musiker, Sänger
und Dirigenten unseres Konzertsaals nach Hal-
tung und Ausdruck individualisiert festhielt. —

Ziehen wir die verschiedenen Wesenszüge
zusammen, die wir als bezeichnend für die
Kunst Spiros fanden, d. h. rasches Erfassen,
Objektivität, leichten Vortrag, persönlicheFarbe,
so ergibt sich daraus von selbst, daß wir es in
ihm mit einem gewandten Porträtisten zu tun
haben, der sich heute, im Verlauf einer natür-

lichen Entwicklung seiner Anlage, im Vollbesitz
seiner Fähigkeiten befindet. —

Im Sommer 1921 machte der Künstler noch
einmal eine Italienreise und zwar im Auftrag
der Marees-Gesellschaft, um in Rom und Neapel
antike Fresken zu kopieren, eine Aufgabe, die
ihm in einer überraschenden Weise glückte.
Schon aus früheren Jahren existierten vorzüg-
liche Kopien von seiner Hand, so die Olympia
Manets und der Irrenhaus-Garten van Goghs,
Arbeiten, in denen er die zartesten Tonwerte
und den Strich des Originals erweckte; darüber
hinaus aber noch gelang es ihm mittels des
schwierigen Tempera-Materials die blasse, ver-
witterte, wie in erloschener Glut verhaltene
Patina antiker Fresken und den Geist ihrer Form
nachzufühlen und zu übertragen, klein diepold.

Ein echter Künstler muß in seinem Innern
Milde, Güte und Großmut pflegen, auch
sollte er angenehme Gedanken und Vorstel-
lungen besitzen und fähig sein, in seinem Geiste
die Gemütsbewegungen und Lebenslagen an-
derer menschlicher Wesen zu verstehen und
wiederzugeben, sowohl in der Schärfe und
Schiefheit, als in dem Nebeneinanderstehen der
Gegenstände. Wenn er so die andern verstan-
den hat, sollte er sie ohne Bedenken aus der
Spitze seines Pinsels herausfließen lassen. Ku
K'ai-chih von Chin (Kogaishi von Shin) baute
sich einen mehrstöckigen Pavillon als Atelier,
damit seine Gedanken freier sein könnten.
Wenn nun die Gedanken niedergedrückt und
melancholisch sind, und nur an einem einzigen
Punkte haften, wie können die Künstler fähig
seio, mit solchen Gedanken zu schaffen oder
die geistigen Eigentümlichkeiten anderer nach-
zufühlen? . . . wenn ich nicht in einem ruhigen
Hause wohne, mich in ein abgelegenes Zimmer
mit offenen Fenstern setze, den Tisch abstaube,
Weihrauch verbrenne, und die zehntausend
alltäglichen Gedanken vertreibe und versinken
lasse, kann ich keine richtige Empfindung für
die Malerei oder guten Geschmack haben und
kann das „yu" (das Geheimnisvolle und Wun-
derbare) nicht schaffen. Erst dann, nachdem
ich alle Dinge um mich herum in ihrer eigenen
Ordnung aufgestellt habe, kommen meine Hand
und mein Geist einander entgegen und be-
wegen sich mit vollständiger Freiheit, kuo hsi

(chinesischer maler des xi. jahrhunderts n. chr.)

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