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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 50.1922

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Wieselthier, Vally: Zu meinen keramischen Arbeiten
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https://doi.org/10.11588/diglit.9143#0247

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VALLY WIESELTHIER—WIEN.

> GLASIERTE KERAMIK c

ZU MEINEN KERAMISCHEN ARBEITEN.

VON VALLY WIESELTHIER.

Das Wort „Kunstgewerbe" wird viel zu sehr
mißbraucht, als daß ich meine Arbeit als
„kunstgewerblich" bezeichnen möchte. Wenn
schon eine Bezeichnung gewählt werden muß,
so bevorzuge ich den Ausdruck „Kunsthand-
werk". Ich möchte bei meiner Arbeit über-
haupt das Künstlerische vom Handwerklichen
gar nicht getrennt wissen; denn beide müssen
so selbstverständlich mit einander verwachsen
sein, wie die Farbe mit dem Bilde. Ich bin auch
stolz darauf, daß ich ein Handwerker bin; das
Künstlerische kommt als Selbstverständlichkeit
hinzu. Wenn ich mich beispielsweise an die
Töpferscheibe setze, so will ich wohl eine schöne
Form machen, aber es wäre ein Unding, die
Form vorher auf Papier ersinnen zu wollen;
denn eine plastische Form zu zeichnen, ist ja
eigentlich im primitiven Sinn überhaupt unmög-
lich. Erst mit Hilfe der Perspektive haben es
die Menschen später versucht. Aber ich habe
die Überzeugung, daß die Form um so edler
wird, je besser ich die Technik und das Mate-
rial beherrsche. Erst wenn ich fühle, was sich
auf der Scheibe bilden läßt, kann ich eine Form
zeichnen. Daher sind auch alle alten persischen,
ägyptischen und indischen Formen immer gut,
weil in jenen Zeiten niemand es versucht hat,
das Material beim Formen zu vergewaltigen.
— Beim Modellieren ist es ganz dasselbe. Was

ich mit meinen Fingern aus dem Ton hohl for-
men kann, wird nie schlecht sein, weil das Ma-
terial mir ja genau sagt, was ich mir erlauben
darf und was nicht. Dieser Umstand verleiht
eben allen natürlich gemachten Tonarbeiten
auch ihren großen Reiz. Dies gilt selbstver-
ständlich nur für hohl gearbeitete Sachen;
denn wenn man einmal mit Stützen anfängt,
dann hat das Material zu schweigen. So ge-
arbeitete Dinge können höchstens als Modell
für eine Plastik gelten, die in anderem Material
ausgeführt werden soll, nie aber als Keramik.

Terrakotten haben etwas Ernstes, vielleicht
auch Erhabenes. Ich aber liebe die Glasur,
vielleicht weil ich überhaupt das Farbige, Freu-
dige gern habe. Schon beim Modellieren denke
ich ans Glasieren, und oft habe ich die Erfah-
rung gemacht, daß mir eine Arbeit erst glasiert
gefallen hat. Auch in dieser Richtung arbeite
ich ganz primitiv. Ich lege absolute kein Ge-
wicht darauf, eine möglichst glatte, einfarbige,
haarrißfreie Glasur zu erzielen, sondern ich
mische mir die Töne in allen möglichen Stim-
mungen zusammen und lasse jetzt das Feuer
walten. Eben das Unregelmäßige, nicht syste-
matisch Abgegrenzte ergibt soviel Reiz und
Schönheit, die man eben nur in der Keramik
haben kann. Damit will ich aber nicht sagen,
daß alles nur Zufall ist, sondern man muß, z. B.

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