FRITZ
BURU ANN-
DÜSSELDORF.
ASKETEN «
DIE GROSSE BERLINER KUNST-AUSSTELLUNG.
In den labyrinthischen Räumen der Großen Ber-
liner Kunstausstellung ringt seit einigen Jahren
der Geist einer neuen Zeit oder vielmehr der
Wille zu einer kraftvoll neuernden Entwicklung
mit den Dämonen der Beharrung und des ewig
Gestrigen. Es war ein schöner, dem Rausch der
Revolution entsprungener Gedanke, in den neun-
undzwanzig Sälen am Lehrter Bahnhof eine
Generalschau über die Entwicklung der auf den
verschiedensten Wegen sich vorwärts kämpfen-
den Kunstrichtungen zu veranstalten, die ältere,
die jüngere und die jüngste Künstlergeneration
brüderlich unter einem Dach zu sammeln und
so den erhebenden Eindruck von reichem Be-
sitz und fruchtbarem Streben einer im Innersten
erschütterten und zweifelnd gewordenen Zeit
zu vermitteln. Ein schöner Gedanke — aber
ein schwieriges Programm, das in der Durch-
führung an seiner inneren Unmöglichkeit schei-
tern mußte. Sein im wesentlichen kunstpoliti-
scher Kern ist unfruchtbar. Der Ruf zur Samm-
lung heterogener Elemente, wie es die verschie-
denen Kunstrichtungen einer Epoche eben sind,
muß zu einem peinlichen, verbindungslosen
Nebeneinander, zu einer Verwirrung führen, die
dem Chaos ähnlicher ist als der erstrebten Har-
monie. Die „Große Berliner" bringt den Be-
weis dafür, auch in diesem Jahr. Zunächst ein-
mal hat sie wertvolles und wichtiges Gebiet
verloren: die beiden Sezessionen sind fernge-
blieben und somit fehlt das bedeutende Mittel-
stück des ganzen Unternehmens. Unbrüderlich,
ja feindselig, wenn man will, steht nun die ältere
Generation jener jüngsten von der November-
gruppe gegenüber — zwei Anschauungen, zwei
Zeiten, zwei Welten! Ein Gegensatz, der sich
auch innerhalb einer landschaftlich einheitlichen
Gruppe, der Rheinischen Abteilung, nicht ohne
Schroffheit widerspiegelt. Hier hat sich das j unge
Rheinland unter Führung des alten Christian
Rohlfs von der Düsseldorfer Künstlerschaft los-
gelöst und geht seine eigenen Wege......
Man darf indessen die Augen doch nicht vor
den Vorzügen verschließen, durch die sich die
diesjährige Ausstellung von denen jener Zeit
unterscheidet, wo ein kunstfremder Paradepomp
die Grabesöde einer sinnlosen Massenansamm-
lung bemalter Leinwand bei der Eröffnung über-
dröhnte. Nun, jedenfalls spürt man doch die
sichtende Hand einer mit künstlerischem Ge-
wissen wirkenden Jury. In den Ausschuß des
Vereins Berliner Künstler, der bei weitem die
259
XXV. Aufutt 1923. 2*
BURU ANN-
DÜSSELDORF.
ASKETEN «
DIE GROSSE BERLINER KUNST-AUSSTELLUNG.
In den labyrinthischen Räumen der Großen Ber-
liner Kunstausstellung ringt seit einigen Jahren
der Geist einer neuen Zeit oder vielmehr der
Wille zu einer kraftvoll neuernden Entwicklung
mit den Dämonen der Beharrung und des ewig
Gestrigen. Es war ein schöner, dem Rausch der
Revolution entsprungener Gedanke, in den neun-
undzwanzig Sälen am Lehrter Bahnhof eine
Generalschau über die Entwicklung der auf den
verschiedensten Wegen sich vorwärts kämpfen-
den Kunstrichtungen zu veranstalten, die ältere,
die jüngere und die jüngste Künstlergeneration
brüderlich unter einem Dach zu sammeln und
so den erhebenden Eindruck von reichem Be-
sitz und fruchtbarem Streben einer im Innersten
erschütterten und zweifelnd gewordenen Zeit
zu vermitteln. Ein schöner Gedanke — aber
ein schwieriges Programm, das in der Durch-
führung an seiner inneren Unmöglichkeit schei-
tern mußte. Sein im wesentlichen kunstpoliti-
scher Kern ist unfruchtbar. Der Ruf zur Samm-
lung heterogener Elemente, wie es die verschie-
denen Kunstrichtungen einer Epoche eben sind,
muß zu einem peinlichen, verbindungslosen
Nebeneinander, zu einer Verwirrung führen, die
dem Chaos ähnlicher ist als der erstrebten Har-
monie. Die „Große Berliner" bringt den Be-
weis dafür, auch in diesem Jahr. Zunächst ein-
mal hat sie wertvolles und wichtiges Gebiet
verloren: die beiden Sezessionen sind fernge-
blieben und somit fehlt das bedeutende Mittel-
stück des ganzen Unternehmens. Unbrüderlich,
ja feindselig, wenn man will, steht nun die ältere
Generation jener jüngsten von der November-
gruppe gegenüber — zwei Anschauungen, zwei
Zeiten, zwei Welten! Ein Gegensatz, der sich
auch innerhalb einer landschaftlich einheitlichen
Gruppe, der Rheinischen Abteilung, nicht ohne
Schroffheit widerspiegelt. Hier hat sich das j unge
Rheinland unter Führung des alten Christian
Rohlfs von der Düsseldorfer Künstlerschaft los-
gelöst und geht seine eigenen Wege......
Man darf indessen die Augen doch nicht vor
den Vorzügen verschließen, durch die sich die
diesjährige Ausstellung von denen jener Zeit
unterscheidet, wo ein kunstfremder Paradepomp
die Grabesöde einer sinnlosen Massenansamm-
lung bemalter Leinwand bei der Eröffnung über-
dröhnte. Nun, jedenfalls spürt man doch die
sichtende Hand einer mit künstlerischem Ge-
wissen wirkenden Jury. In den Ausschuß des
Vereins Berliner Künstler, der bei weitem die
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XXV. Aufutt 1923. 2*