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Böker, Doris [Hrsg.]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 31): Stadt Oldenburg (Oldenburg) — Braunschweig, 1993

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https://doi.org/10.11588/diglit.44439#0215
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nen im Erdgeschoß einen Diamantquaderbe-
satz, diejenigen des Obergeschosses ein ve-
getabiles Relief, und die Fensterpfosten des
Risalitobergeschosses sind als Hermenpila-
ster ausgebildet.
In Zusammenhang mit dem erstarkten Natio-
nalgefühl nach dem Krieg 1870/71 flössen in
zunehmendem Maße Formen der Deutschen
Renaissance in die Architektur ein. Dabei re-
zipierte man die Variante des nordwestdeut-
schen Raumes mit ihrem charakteristischen
Materialwechsel von Backstein und Werk-
stein, der im Historismus häufig durch Putz-
elemente ersetzt wurde. Diese Gestaltungs-
weise setzte z. B. Spieske, der für seine gie-
belständigen Häuser eine Putzverkleidung
bevorzugte, für Gebäude großzügigeren Zu-
schnitts ein (Lindenallee 49, erb. 1889; Gar-
tenstr. 22, erb. 1896; Gartenstr. 22a, erb.
1898). Auf eine üppige Dekoration wird bei
diesen Häusern verzichtet. Lediglich zur Un-
terstreichung eines exponierten Bauteils
wählte Spieske ein aus dem übrigen Formen-
apparat hervorragendes Motiv aus: so z.B.

bei den spiegelsymmetrisch errichteten Häu-
sern Lindenallee 31 und Nr. 33 (erb. 1893),
wo er die Beletage des Risalits mit einem
rundbogigen, von einem sechspaßbekrönten
Zwillingsfenster innerhalb einer Rundbogen-
blende ausstattete, oder bei Taubenstraße 3
(erb. 1897) mit einem von Hermenpilastern
unterteilten Drillingsfenster, dessen Seg-
mentbogenlünette Akanthuslaub ziert.
Als Beispiel eines um besondere Individuali-
tät bemühten Entwurfs mag sein 1900 errich-
teter Putzbau Lindenallee 2 denen. Der nörd-
liche Eckrisalit erscheint durch einen Dach-
ausbau - belichtet von einem rundbogigen
Drillingsfenster-einem Turm ähnlich, der mit
seinem flachgeneigten, vorkragenden Dach
an den Stil italienischer Landhäuser erinnert.
Der prächtige Fassadenschmuck und die sich
im Detail eng am historischen Vorbild orien-
tierenden Ornamente lassen das 1887 von L.
Klingenberg errichtete sog. „Gelbe Schloß“,
das Mehrfamilienhaus Roggemannstraße 25,
zu einem der eindrucksvollsten Zeugnisse hi-
storistischer Interpretation der Deutschen
Renaissance werden. Die mit gelben Back-
steinen verblendete Fassade rahmen zwei

polygonal hervortretende Bauteile, welche
die Traufe, ebenso wie derdreiachsige, leicht
vorgezogene Mitteltrakt, mit ihrem Mezzanin-
geschoß überragen. In dem ihm vorgelegten
Altan, den drei rundbogige Zwillingsfenster
mit Überfangbögen belichten, liegt mittig im
hohen Souterraingeschoß der Haupteingang.
Zwischen Mittel- und Seitentrakten sind über
einer Stichbogenarkatur, die zu Nebenein-
gängen im Souterrain führt, Balkonaustritte
eingespannt, deren durchbrochene Brüstun-
gen ebenso wie die des Altans mit Kleeblatt-
bogen geschmückt sind. Den reichsten
Kunststeinschmuck, plastisch durchgebil-
dete Rahmungen, vasenbekrönte Dreiecks-
giebelverdachungen im Mitteltrakt und ge-
sprengte Segmentbogengiebel an den Eckri-
saliten, tragen die Obergeschoßfenster der
vortretenden Bauteile. Die in ihren Brü-
stungsfeldern und denen der beiden seitli-
chen Altanfenster angeordneten Tondi mit
den Männerportraits rekurrieren auf das in der
Renaissance rezipierte ikonographische
Thema der neun guten Helden. Die Erdge-
schoßfenster schmücken nachempfundene
Kerbschnittsteine.


Bismarckstr. 31, Umbau 1909 Herbartstr. 14, Nr. 13,1896, Architekt G. Schnitger


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