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Pantel, Etta [Hrsg.]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 9, Teil 1): Stadt Wolfenbüttel — Braunschweig, 1983

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https://doi.org/10.11588/diglit.44416#0056
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Im Zweiten Weltkrieg gab es hier keine nen-
nenswerten Zerstörungen. Der Flüchtlingszu-
strom nach 1945 wurde durch Neubaumaß-
nahmen in den Außenstadtbereichen bewäl-
tigt. Dennoch erfuhr die Bausubstanz und
damit auch das Stadtbild nach 1945 tief-
greifende Veränderungen:
Die Lange Straße und ihr näheres Umfeld
wurden nach der Verbreiterung und dem
Straßendurchbruch nach Süden mit mehr-
geschossigen massiven Flachdachgebäuden
neu gefaßt. In der Breiten Herzogstraße und
Okerstraße entstanden massive Neubaukom-
plexe, die sich in Volumen und Erscheinung
stark von ihrer Umgebung abheben.
Der Kaufhausneubau Karstadt an der Lö-
wenstraße/Krambuden bedeutete einen star-
ken Eingriff in die Grundrißmorphologie
der Stadt, indem er über die Grenze zwi-
schen der Heinrichstadt und der ehemaligen
Dammfestung, dem historischen Verlauf des
Okergrabens, hinweg errichtet wurde. Aus
der Fußgängerperspektive fügt sich der Bau-
körper dank seiner gegliederten Fassaden
und kaschierten Höhenentwicklung in das
Straßenbild ein.

DIE STRASSEN DER
ALTEN HEINRICHSTADT
LANGE HERZOGSTRASSE
Die Lange Herzogstraße bildet mit der pa-
rallelen Kanzleistraße die nördliche der drei
Hauptachsen in der Alten Heinrichstadt.
Sie durchquert heute als einziger Straßen-
zug gradlinig die Alte sowie die Neue Hein-
richstadt. Sie beginnt im Westen bei den
Krambuden und mündet im Osten schräg in
die Breite Herzogstraße ein. Der Bau der
Straße bis zum ehemaligen Okerkanal „Alter
Kanal" wurde 1590 unter Herzog Julius voll-
endet. Der Verlauf war bestimmt durch das
Vorwerk (heute Kanzlei) sowie durch vor-
handene Bebauung. Unter Herzog Heinrich
Julius erfolgte etwas später die Abstimmung
des weiteren Verlaufs mit dem Ziel der Ver-
bindung des Schloßplatzes auf der Damm-
festung mit der Bastion Phi11ipsberg, dem
heutigen Ziegenmarkt. Eine Steinbrücke über
den Okerkanal/Okerstraße verband die Alte
mit der Neuen Heinrichstadt.
Die Aufsiedlung mit Bürgerhäusern war wohl
Anfang des 17. Jh. abgeschlossen. Die vor-


Lange Herzogstraße 63, 62, vom Stadtmarkt aus, Hofbeamtenhäuser

Lange Herzogstraße 1—11, Südseite


rangig bebaute nördliche Häuserzeile hatte
durchgehende Grundstücksparzellen, die bis
hin zur Stobenstraße — Hauptkanal und
Neue Straße reichten. Diese Struktur ist
deutlich in der historischen Karte von 1840,
aber auch noch in dem heutigen Kataster
abzulesen.
Die Gebäude der südlichen Häuserzeile zwi-
schen Stadtmarkt und Okerstraße entstan-
den aufgrund der geringen Parzellentiefe als
stattliche ,,Hinterhäuser" der nördlichen
Kanzleistraßenzeile. Dieser schmale Bebau-
ungsstreifen wurde wohl z.Zt. Herzog Hein-
rich Julius' nachträglich in das breite Profil
der Langen Herzogstraße eingefügt. Die im
Laufe der Zeit z.T. abschnittsweise unter-
schiedlichen Benennungen des langen Stra-
ßenzuges entsprechen seiner oben beschrie-
benen städtebaulichen Entwicklung. 1679
und 1754 wurde sie von Westen nach Osten
„Löwenstraße", „Schmiedestraße" und
„Kleine Herzogstraße" genannt. Erst seit
1840 ist der Straßenzug unter der gemein-
samen Bezeichnung „Lange Herzogstraße"
zusammengefaßt. Der Ausbau der bis 1954
von einer Straßenbahn durchfahrenen Straße
zu einer Fußgängerstraße erfolgte 1968 mit
der Aufhebung der Trennung von Gehweg
und Fahrbahn durch einen einheitlichen Be-
tonsteinbelag.
Noch heute ist die Lange Herzogstraße ne-
ben den „Krambuden" die Hauptgeschäfts-
straße Wolfenbüttels, in der die mit moder-
nen Länden ausgestattete Erdgeschoßzone
zunächst im Blickfeld steht. Bei genauerer
Betrachtung zeigt sich das Bild einer ge-
schlossenen, traufständigen Bebauung mit
unterschiedlichen Haustypen verschiedener
Epochen, in der über weite Strecken der
Fachwerkhausbestand des 17.—19. Jh. vor-
herrscht. Die traditionelle Dachform ist das
Satteldach, das oft mit Zwerchhäusern ver-
sehen ist. Dagegen zeigen die Häuser Nr. 18
und 55—57 ein für das Rokkoko typisches
Mansarddach, während Um- und Neubauten
im Stile des Klassizismus an den typischen
Dreiecksfrontispizen zu erkennen sind wie
z.B. an dem Haus Nr. 14.
Der westliche, sich trompetenförmig öffnen-
de Teil des Straßenzuges wirkt fast wie ein
Platz. An seiner weitesten Stelle nimmt das
ehemalige Hofbeamtenhaus an der Ecke Müh-
lenstraße, Haus Nr. 63, als wohl ältestes
Wohngebäude dieser Straße eine besondere
Stellung ein. Dieser stattliche Baukörper ist
im Gegensatz zur Nachbarbebauung in massi-
vem Bruchsteinmauerwerk erbaut worden.
Vom Stadtmarkt her ist er im Norden Blick-
fang und Raumabschluß zugleich. Das Ge-
bäude wurde 1586—88 durch einen herzog-
lichen Bauverwalter errichtet und 1646 von
Herzog August d. Jüngeren erworben, um
es als Fürstliche Hofapotheke einzurichten.
Seit der 1. Hälfte des 19. Jh. ist es ein Bank-
haus, dessen Schalterhalle 1945 in die ehe-
malige Durchgangsdiele eingebaut wurde.
Die Betonung der südwestlichen Hausecke
durch eine quadratische turmartige Eckaus-
lucht mit Fachwerkaufsatz und haubenarti-
gem Schieferdach sowie die drei symme-
trisch zum Portal errichteten Fachwerk-
zwerchhäuser entstanden im 18. Jh. Sie
prägen zusammen mit dem barocken Auf-

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