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Pantel, Etta [Hrsg.]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 9, Teil 1): Stadt Wolfenbüttel — Braunschweig, 1983

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https://doi.org/10.11588/diglit.44416#0052
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HEINRICHSTADT

Der größte der historischen Stadtteile Wol-
fenbüttels wird als Heinrichstadt bezeichnet.
Er besteht von Westen nach Osten aus den
historischen Quartieren „Freiheit", „Alte
Heinrichstadt" und „Neue Heinrichstadt"
sowie der im Norden und Süden angelager-
ten Wallbebauung. An drei Seiten wird die
Heinrichstadt von den Umflutgräben der
Oker begrenzt; lediglich die Grenze nach
Westen zur Dammfestung hin, die bis ca.
1840 durch den Dammgraben fixiert war,
ist derzeit verwischt.
Die Anbindung der Heinrichstadt an das
übergeordnete Straßennetz und die übrigen
Stadtteile erfolgt noch heute überwiegend
über die alten Stadtausgänge, deren Torbau-
ten der Entfestigung im 19. Jh. zum Opfer
fielen. Die Festungsanlagen des 17. Jh. mit
ihren Wassergräben stellten ein so starkes
Hindernis dar, daß man erst nach der Schlei-
fung der ehemaligen Festungstore Dammtor
im Bereich Löwenstraße/Schloßplatz im We-
sten, Herzogtor im Norden und Neues Tor
oder Harztor im Süden zwei neue Stadtaus-

gänge hinzugefügt hat. So schuf man 1892
mit der Wallstraße und Juliusbrücke eine
neue Verbindung in die Juliusstadt im Osten,
nachdem die Verbindung durch Umbau des
Kaisertores zur Trinitatiskirche (siehe dort)
zu Beginn des 17. Jh. unterbrochen war.
1952 führte man die Bundesstraße 4 über das
Herzogtor in südlicher Richtung weiter, wo-
bei für den Ausbau der Breiten Herzog und
Langen Straße der Abbruch von Häuserzei-
len nötig wurde. Damit schuf man eine
durchgehende Nord-Süd-Verbindung durch
die Heinrichstadt. Hierdurch wurde der
westliche Teil der Altstadt vom Durchgangs-
verkehr entlastet. Der zur Zeitstattfindende
Bau einer weiträumigen Umgehungsstraße
um die gesamte Heinrichstadt soll diesen
Stadtteil in Zukunft völlig vom Durchgangs-
verkehr freihalten. Diese Maßnahme hat
jedoch eine Abtrennung der westlichen
Auguststadt zur Folge (siehe Auguststadt).
Um einen besseren Verkehrsfluß in der
Heinrichstadt zu erreichen, wurde in den
siebziger Jahren die Okerstraße bis zum
Rosenwall geführt. Dieser Durchbruch ver-
änderte das Stadtbild nur unwesentlich.

Blick auf die Heinrichstadt von Süden mit Harzstraße im Vordergrund. Aufnahmedatum 11.07.71,
Archiv: Landesbildstelle, Freigabe durch Bez. Reg. Rheinland-Pfalz, Außenstelle Mainz Nr. 8832-4


Insgesamt hat die Heinrichstadt aufgrund der
im 16. Jh. durchgeführten Planung mit
verhältnismäßig breiten gradlinig verlaufen-
den Straßenzügen den bisherigen Verkehrs-
anforderungen ohne größere Veränderungen
standgehalten.
ANFÄNGE DER SIEDLUNGSENTWICK-
LUNG IN DER HEINRICHSTADT
Die Entstehung und Entwicklung einer Bür-
gersiedlung als Keimzelle der Heinrichstadt
stehen in direktem Zusammenhang mit der
Geschichte des Schlosses zu Wolfenbüttel
sowie der an die ehemalige Wasserburg
angegliederten Vorburg, der Dammsiedlung,
die später zur „Dammfeste" zusammenge-
faßt wurden (siehe Schloßbereich/ehemalige
Dammfestung).
Durch frühe Befestigungsanlagen war der
Raum innerhalb der Dammfestung einge-
schränkt worden. Um Platz für neue Häuser-
verschreibungen zu schaffen, wurde das Alte
Vorwerk 1530 in die Siedlung um die kleine
mittelalterliche Marienkapelle verlegt. Sie
war der Vorgängerbau der heutigen Haupt-
kirche St. Marien, wurde 1301 erstmals
erwähnt und ist wohl für Handelsleute hier
erbaut worden. Als auf der Dammfestung die
vorwiegend am Hofe beschäftigten Menschen
trotzdem nicht mehr untergebracht werden
konnten, wurde der Ausbau der Siedlung
betrieben. Bauplätze mußten im morastigen
Niederungsgebiet der Oker durch Aufschüt-
tung und Eindämmung gewonnen werden.
Zur Zeit Herzog Heinrich d. Jüngeren (1514
—68) wurde diese erste städtische Zelle um
die Marienkapelle „Zu Unserer Lieben Frau-
en" genannt (1529). Sie ist in ihrer Ausdeh-
nung und Einwohnerzahl nicht genau be-
kannt. Neuere Literatur vermutet die Lage
ihrer Grenzen nicht in Übereinstimmung mit
denen der späteren Alten Heinrichstadt
(s.u.); besonders die Südgrenze wird mit der
Linie Harztorplatz/Ecke Krumme Straße zur
Echternstraße enger gefaßt. Das heißt, daß
die im Bogen verlaufende Krumme Straße
mit ihrer Kleinstparzellierung erst später ent-
standen sein muß (siehe Krumme Straße).
Nach den Schmalkaldischen Kriegen (1542
—47) wurde die Bebauung vermutlich in
weitgehend ungeordneter Form wiederaufge-
nommen. Der Bevölkerungszuwachs in der
Zeit des Wiederaufbaus von 1548—71 ver-
vierfachte sich, so daß eine Siedlungserwei-
terung, genannt „Zu Unserer Lieben Frauen
in der Neustadt" (1545/64), anzunehmen
aber nicht zu belegen ist. Im Gegensatz zur
eng bebauten Dammfestung war die Siedlung
zum Ende der Regierungszeit Heinrichs nur
weiträumig mit Häusern bebaut. Diese lagen
verstreut wohl nordwestlich des 1530 hier-
her verlegten Vorwerks, der späteren Kanz-
lei (siehe Kanzleistraße 3) sowie um den
fürstlichen Lustgarten südlich der Marien-
kapelle. Noch heute fällt der Kern der Alten
Heinrichstadt zwischen Mauren-, Echtern-
straße und Lustgarten durch eine besonders
unregelmäßige Grundrißstruktur auf. Offen-
bar hat sich hier ein Teil des Straßennetzes
der „Neustadt" erhalten, so daß hier wohl
die ältesten Gebiete der Wolfenbüttler Alt-
stadt (neben der Dammfestung) liegen. Die
Bebauung aus dieser ersten Phase ist jedoch
vollständig verschwunden.

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