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Pantel, Etta [Editor]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 9, Teil 1): Stadt Wolfenbüttel — Braunschweig, 1983

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https://doi.org/10.11588/diglit.44416#0063
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Zeit als erster architektonisch bedeutender
Kirchenbau des Protestantismus errichtet
und ist durch den Rückgriff auf die Tradi-
tion mittelalterlicher Hallenkirchen geprägt.
Der Entwurf stammt von dem aus Weimar
stammenden Baumeister Paul Francke, der
seit 1574 im Dienste des Herzogs stand.
Baubeginn war 1608, und 1615, z.Zt. des
Todes von Paul Francke, waren bereits we-
sentliche Teile fertiggestellt. 1616 entstand
die Westfront mit dem Turm, der jedoch erst
1750/51, niedriger als ursprünglich geplant,
seine Turmhaube erhielt. 1626 zur Zeit des
Dreißigjährigen Krieges waren Bau und In-
nenausstattung im wesentlichen vollendet
bis auf das Westportal und einige Ziergie-
bel, die in den Jahren 1643 und 1657—1660
errichtet wurden. Seit 1969 wird der gesam-
te Baukörper umfassend erneuert.
Die dreischiffige, fünfjochige Hallenkirche
mit 70 m Länge, 36,5 m Breite und einem
16,5 m hohen Gewölbe hat einen eingestell-
ten Westturm mit aus dem Mittelschiff aus-
geschiedener Turmhalle. Das Chorjoch mit
einem 5/8-Schluß ist von querhausartig aus-
gebildeten Seitenräumen flankiert.
Der Außenbau wird von kräftigen Strebe-
pfeilern gegliedert. Die hohen, spitzbogigen
Maßwerkfenster und die Giebelreihen an
den Längsseiten mit den säulengegliederten
Zwerchgiebeln gehen in der Feinheit ihrer
Details über den ursprünglichen Entwurf
Franckes hinaus. Das Westportal wurde 1618
von dem Lübecker Bildhauer Heinrich Got-
tes geschaffen und 1657 von H. Wacker
überarbeitet. Es zeigt außer den biblischen
Figuren in den seitlichen Nischen die beiden
Bauherren Herzog Heinrich Julius und Frie-
drich Ulrich über dem Gebälk sowie den
segnenden Christus als oberen Abschluß.
Eine Ädikularahmung kennzeichnet das
Nord- und Südportal. Die Strebepfeiler so-
wie Zwerchhäuser werden von Aposteln so-
wie weiblichen Heiligenfiguren bekrönt. Im
Innenraum sind die schlanken, auf hohe
Postamente gestellten Achteckpfeiler bestim-
mend. Die im Mittelschiff annähernd quadra-
tischen, in den Seitenschiffen längsrechtecki-
gen Joche haben Kreuzrippengewölbe mit
horizontalen Scheiteln. Als Dekoration fin-
det man u.a. an den Pfeilerschaften profi-
liertes Ornamentband und an den Scheid-
bögen Beschlagornamente.
Die Querhausflügel sind im Untergeschoß
durch Mauern als Sakristei (Nordseite) und
herzogliche Begräbnisstätte abgetrennt. Un-
ter dem Chor befindet sich der zweischiffige
Gruftraum für die herzogliche Familie. Bei
neuesten Grabungen sind an zwei Pfeilern
im Haupthaus sogenannte „Pfeilerumgangs-
gruften" gefunden worden, die als kollektive
Grabstellen vergeben worden sind.
Zu der reichen Ausstattung des Innenrau-
mes gehört der 1623 erworbene Hochaltar,
den Bernhard Ditterich aus Freiberg in
Sachsen ursprünglich für eine Kirche in
Prag gearbeitet hatte. Am Entwurf beteiligt
war wohl der aus Lugano stammende G. M.
Nosseni. Die Kanzel aus Holz war 1619
dem Quedlinburger Georg Steyger in Auftrag
gegeben worden. 1626 wurde sie an ihrem
heutigen Standort am südlichen Choreingang



ev. Hauptkirche St. Marien

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