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34

D er verhäng in

Der Pfarrer nahm einen Stuhl und betrachtete mit sicht-
lichem Wohlgefallen den schmucken Burschen, der sich noch aller-
lei in der Stube zu schaffen machte, eigentlich aber herzlich
froh gewesen wäre, wenn er auf dem Wägelchen schon das
Dorf hinaus hätte fahren können, denn man sah es ihm an,
daß ihn die Ungeduld unter den Sohlen brannte.

„Gehst Du gern mit, Jakob?" frug der Pfarrer.

„Nun, wenn man schon muß, Herr Pfarrer, ja — aber
ich kann's sage, ich freu' mich eigentlich darauf, denn wenn
man so gar nit aus dem Dorf kommt, ist man doch gar nichts;
aber wenn man im Feld gestände hat, habe die Leut' eine
ganz andere Ansicht von Einem und wenn das so ist, wie
Sie sage, Herr Pfarrer, daß eigentlich der Preußekönig Recht
hat und daß der Franzos' ein grober ung'schliffener Mensch ist,
der uns blos auslache möcht', dann müsset wir den Preußen
helfe und der soll seine Schläg' schon krieg'n. Ich bin dem
alten Häbelebauern fein Sohn, ich stell' mich auch nicht hin-
ten hin."

„Wenn Du aber im Felde bleibst?" frug der Pfarrer
weiter.

Jäkele kratzte sich hinter den Ohren. „Wenn ich ver-
schösse wcrd', meinet Ihr? Ja, das ist minder, man müßt's
halt doch auch verleide, Herr Pfarrer, aber ich werd' nit ver-
schösse, ich mein', ich weiß g'wiß. Mein' Mutter hat ein Ge-
belle g'habt, das hat sie mir schon als kleiner Bub' umg'hängt
und das ist von ihrem Großvater, der auch Soldat g'wesen
ist. Wenn man das umg'hängt tragt, kann Einem nichts
passire."

Die Thüre öffnete sich und einige Arbeiter und Arbei-
terinnen traten ein und setzten sich um den Tisch, auf den die
Hausmagd eine mächtig große dampfende Schüssel stellte.

„Wohl bekomm's!" sagte der Pfarrer freundlich.

„Gelt's Gott!" rief der Chor der Arbeiter. Ein kurzes
Gebet wurde gemurmelt und los ging's über die Frühsuppe.

Während dem war auch der Häbelebaucr im Sonntags-
rock und schönen Hut aus der Nebenstube getreten. „So, Herr

ißvolle Posten.

Pfarrer, jetzt wolle wir das Jäkele fortbringen, wenn Ihr so
gut sein wollet, und uns begleite, wie Jhr's verspräche habt."

Der Herr Pfarrer nickte.

„Da Hab' ich ein Fläschle vom Alten mit'bracht und nun
wolle wir ein' Abschiedstrunk thun." Der Bauer füllte drei
Gläser, die er vom Rahmen genommen und setzte sich gar
ernsthaft in Positur, sein Glas haltend. „Jäkele," begann er
feierlich, „Jäkele, mein Sohn — Erst- und Letztgeborner meines
Hauses! Die Stund' ist 'kommen, wo das Vaterland seine
Söhne ruft und Du bist so glücklich, für die deutsche Sach'
zu fechte. Du bist zwar bei der Infanterie und da thut man
wenig fechte, aber das thut nix, man sagt halt so. Die
Sach', für die wir kämpfen, ist die gerechte — gelt, Herr
Pfarrer? So kämpfst Du also für die gerechte Sach'. Sei
tapfer und brav, mach' Deinem engern Vaterland Schwaben
keine Schand' und kehr' als ehrlicher Krieger gesund oder ver-
wundet wieder heim. Nur nit todt, das kunnt' ich nit verleide.
Gib' mir d'Hand d'rauf, Jäkele."

Jäkele reichte dem Alten gerührt die Hand.

„So entlaß' ich Dich und stell' Dich unser'm allergnä-
digsten König und Herrn — thu's Käpple 'runter, Jäkele —
unser'm bedrohten Vaterland, das unser Hcrgott schützen mög'

— thu' wieder 's Käpple runter, Jäkele — und unserer gerech-
ten Sach' anheim zum Kampf gegen den beutegierige, hung'rige,
dunnerschlächtige Franzosen-Kaiser — behalt' das Käpple auf, j
Jäkele. Herr Pfarrer, jetzt b'schlicß' ich's, wenn Ihr weiter
nix mehr zuzufüge habt."

Der Herr Pfarrer winkte mit der Hand zum Zeichen, daß
er vom Gehalte dieser Rede durchdrungen und überzeugt sei,
und weiteres Zufügen überflüssig wäre.

„Jetzt wolle wir ein Hoch ausbringen, wic's bei ähnliche
Gelegenheiten üblich ist, denn ich bin der Häbelebaucr und
weiß, was sich g'hört," fuhr der Bauer fort.

„Erst soll leben unser achtes, bicdcrdcutschcs gesummtes
Vaterland von den Alpen bis zum Meeresstrand — hoch! —
Ihr dürft schon auch mitschreien, wenn Ihr auch eine Milch-
suppen habt, statt ein'Wein — hoch!" wandte sich der Bauer
an seine Knechte und Mägde. Alles schrie „hoch," die Dreie
die Gläser, die Knechte und Mägde die Löffel erhebend. „So-
dann ein Hoch unserem vielgeliebten Staatsoberhaupt, unserem
ächt deutschgesinnten König, der sein' Sach' so gut g'macht hat

— hoch! Es leben die tapferen Krieger, die hinausziehcn

müsse für die heilige Sach' — Du bist auch dabei, Jäkele

— hoch! — So, jetzt ist's gut. Jetzt nimm Abschied van die
Leut' — wein' nit, Jäkele, das schickt sich für ein'n deutschen
Krieger nit. Bleib' brav und schreib' fein fleißig, wenn Du
'was brauchst — jetzt geh!"

Der Häbelebaucr, der Herr Pfarrer und Jäkele verließen
die Stube und bestiegen das Wägelchen, vor welchem der
Braune schon lange ungeduldig scharrte.

„Jetzt hat'sZeit," rief der Bauer, „Alles fertig? hüh!"

— Ein Peitschenknall und fort ging's wie der Sturmwind zum
Dorf hinaus.

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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der verhängnißvolle Posten"
Weitere Titel/Paralleltitel
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Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Mann <Motiv>
Pfarrer <Motiv>
Gespräch
Deutsch-Französischer Krieg <1870-1871>
Karikatur
Standuhr
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 54.1871, Nr. 1333, S. 34
 
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