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06

Ein Tag aus dem Leben eines Notars.

machen; ich gib das Geld her, aber zuvor möcht' ich doch
wissen, auf welchen Posten mein Geld zu stehen kommt. Er
sagt, er braucht's nothwendig; da wär's uns halt lieb, wenn
Sie 's Hypothekenbuch gleich einschaueten."

„Ja wohl, das kann gleich geschehen." Zum Dicken:
„Sie haben Nr. 84, nicht wahr?"

„Ja früher, jetzt Hab' ich 841/2."

„Wie viel nehmen Sie auf?"

„2000 fl. hat er mir zug'sagt."

„So?! 2000 fl. (Für sich.): Das macht 4 fl. 20 kr.
Notariatsgebühr." (Laut.): „So, meine Herren, wollen Sie sich
nur einen Augenblick im Vorzimmer gedulden, ich bin gleich
wieder da."

Nach einer Viertelstunde kommt der Notar vom Hypo-
thekenamte zurück.

„Das Anwesen Nr. 841/2," sagt er und wischt sich den
Schweiß von der Stirne ab, „ist mit 17,000 fl. belastet. Die
letzte Hypothek mit 5000 fl. wurde vor einem Jahre gemacht."

„Und wie hoch ist die Schätzung?" fragt der Magere.

„Die Schätzung ist allerdings blos 10,000 fl., aber die
scheint mir zu niedrig zu sein; der Herr Samuel Heyum, der
die 5000 fl. hergegeben, geht in der Regel sehr sicher."

„Geht mich nichts an, und wenn der Rothschild noch
10,000 fl. hergibt, ich geb' auf einen solchen Posten keinen
Kreuzer. Adjeu!"

„Hab' mir's gleich denkt," sagt der Dicke, „daß mit dem
nichts anz'fangen is; das ist ein Knicker. Mich reut's, daß
ich ein Wort zu ihm g'sagt Hab'. Nix für ungut, Herr Notar."

„Sie werden mir aber doch meinen Gang honoriren, nach-
dem aus dem Geschäft nichts geworden ist?"

„Ich Hab' kein' Kreuzer Geld bei nur; bis in ein paar
Tagen find' ich schon Jemand, der die Hypothek macht, nach-
her zahl' ich's schon."

„Das ist doch merkwürdig! Mancher Tag ist gerade wie
verhext!"

In der Amtsstube des Notars ist's wieder still geworden.
Man hört nichts als das Tick Tack der Wanduhr. Die Sonne
scheint so warm herein und doch ist's, als ob die ganze Welt
i» Schlummer lüge.

Diese Todtenstille! Nur ein paar Mal noch wird sie auf
ivenige Minuten unterbrochen. Eine Buchbinderrcchnung wird
zur Zahlung produzirt, wegen einer Urkundausfertigung wird
' nachgefragt und ein Scribcnt des Notars bittet um einen Vor-
schuß. Endlich ist cs 6 Uhr. Das Kanzleipersonal ist fort.
Der Notar ist im Begriffe, einen kleinen Spaziergang zu ma-
. chen, theils um Bewegung zu haben, theils um des Tages Ver-
drießlichkeiten sich aus dem Kopfe zu schlagen.

Da poltert noch eine Schaar Leute herein, Bauern mit
ihren Weibern imö Zeugen, und Unterhändler, alles angetrunken
und anstandslos, und verlangen die Beurkundung eines Kauf-
; Vertrags über ein höchst verschuldetes Bauerngut. Die Ver-
hältnisse sind sehr verwickelt. Alles schreit durcheinander, immer
; sprechen zwei oder drei zugleich und je länger die Berath-
ung dauert, desto weiter entferne» sie sich von ihrem Aus-

gangspunkte. 8 Uhr schlägt's, bis die Leute sich überzeugen,
daß cs für heute doch eine Unmöglichkeit ist, in's Reine zu
kommen oder Handeleins zu werden. Sie wollen morgen wieder-
kommen. Im höchsten Grad darüber ärgerlich, 12 Stunden im
Bureau gesessen zu sein und keinen Kreuzer verdient zu haben,
geht der Notar in's Gasthaus, Zerstreuung suchend. Er findet
solche, indem er zum Taroken eingeladen wird; aber auch diese
Zerstreuung muß er theucr bezahlen; denn er will zur Zer-
streuung spielen, spielt aber mit Zerstreuung. Um 12 Uhr legt
sich der müde Körper zur Ruhe; der Geist aber arbeitet fort
und führt ihm im Traume streitende Bauern, lumpige Bettler
und drohende Staatsanwälte vor. M. § . . .

Die C 0 u r s r.

Herr Wimmeles sitzt hinter'm Pult
Und kaut an seiner Feder,

Jetzt springt er gar vor Ungeduld
Hinab vom Bock aus Leder,

Macht einen Solo--Günselauf,

Denn Wimmeles — er wartet auf -
Die Course.

Bald läuft er g'radeaus, bald quer —

Das thät er sonst nur schreiben —

Schweißtriefend läuft er hin und her, —

Ein ganz abnormes Treiben!

Ja! wer's nicht weiß, der hält's für dumm,

Doch nein! Das macht die Sorge um -
Die Course.


Jetzt thut die Thür' sich auf, cs tritt
Herein sein junges Weibchen,

Sie bracht das schönste Lächeln mit
Und girrte wie ein Täubchen,

Doch Wimmeles, der harte Mann,
Blickt nicht nach ihr, er dacht nur an
Die Course.
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Ein Tag aus dem Leben eines Notars"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Bechstein, Ludwig
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Mann <Motiv>
Hypothek
Notar <Motiv>
Alltag <Motiv>
Alltag
Gespräch
Gespräch <Motiv>
Karikatur
Kaufvertrag
Alltagskultur
Bauer <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 54.1871, Nr. 1337, S. 66
 
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