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j 1U6 Die braun

Moorgrund das eingesaugte Wasser wieder in starken Dünsten
von sich gab, konnte ich eine leise Sehnsucht nach einem Ver-
kehr mit Menschen nicht unterdrücken.

Tie übrigen vier oder sünf Parteien im Heinrichsbade
waren kranke mürrische Menschen und die zehn oder zwölf Fa-
milien aus der Stadt lebten zurückgezogen in den von ihnen
gcmietheten Bauernhäuschen.

Drei solcher höchst trübseliger Tage, die mich im Hause
festhicltcn, hatte ich bereits verlebt, als ich zufällig in einem
Gespräche mit dem Besitzer des Hofes die überraschende Ent-
deckung machte, daß er, obgleich er die Tracht der Bewohner
dieses Lhales trug und ihren Dialekt sprach, ein ganz wohl
unterrichteter, ja sogar scingcbildetcr Mann war. Er löste mir
selbst das Räthsel, indem er mir erzählte, er sei als Sohn des
verstorbenen Gründers von Heiurichsbad zum Geistlichen bestimmt
gewesen, habe in der Hauptstadt seine Studien gemacht, sich aber
nach erfolgtem Tode seines Vaters veranlaßt gefunden, statt des
■ Chorrocks die Bauernsacke anzuzieheu und sein Erbe anzutreten.

Herr Mautinger, so hieß der Mann, war mit dieser Mit-
theilung kaum zu Ende — er machte sie in seiner allgemeinen
Schenkstube — als eine Frauensperson eintrat, die augenblicklich
meine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nahm.

Es war ein großes starkes Weib von fast zigeunerhaft
brauner Gesichtsfarbe mit derben harten Zügen, aber mit schwarzen
Augen von solcher Lebhaftigkeit und solchem intensiven Glanze,
daß dieses Antlitz, welches auf den ersten Anblick abstieß, bei-
nahe verdiente, schön genannt zu werden, wenn sich die lang-
bewimperten Lider von diesen Augen emporhoben. Man nahm
sich daun auch die Mühe, den kleinen fein geschnittenen Mund
dieses Weibes in's Auge zu fassen, der im Lächeln eine Reihe
blendendweißer Zähne zeigte und nach den Wangen hin einen
merkwürdigen Zug erzeugte, welcher einen gewissen Hauch von
Anmuth über die ganze Physiognomie zauberte.

Dennoch blieb der Grundcharakter dieser Erscheinung der
einer gewissen Entschiedenheit und männlichen Kraft, welcher
conscquent ein näheres Befreunden mit ihr zu hemmen schien.

Das. Weib war ungefähr in den Vierzigen, groß und
: kräftig gebaut und hatte ihre dichten schwarzen Haare zierlich
geordnet und mit weißen Bändcrschleifen und einigen Sternen
Edelweiß geziert. Dieser Putz war offenbar festlich und wollte
zu dem einfachen dunklen Kattunkleide von etwas verbrauchter
j Farbe und der blauen Schürze darüber nicht recht passen.

„Ich möchte bitten," sagte das Weib mit tiefer aber wohl-
klingender Stimme zum Wirthe, „daß Sie uns heute Abends
| den runden Tisch im Hinterstübchen frei lassen."

„Habe schon daran gedacht," erwiderte Mautinger freund-
! lich lächelnd, und öffnete dabei eine Seitenthüre, durch welche
! man einen Einblick in ein kleines Stübchen hatte.

Man sah da einen mit weißem Tuche gedeckten Tisch,
darauf Gedecke für vier Personen, und mitten zwischen diesen
! ein langhalsiges Trinkglas, ans welchem ein ganz hübscher
, Strauß von Alpeublumen hervorragte.

Die braune Frau warf rasch einen Blick auf diese Vor-
bereitung und ein fast wehmüthiges Lächeln spielte um ihren

e Burgei.

Mund, daun aber flog gleich wieder wie ein dunkler Schatten
kalter Ernst über ihr Gesicht.

„Hoffentlich wollen Sie meiner nicht spotten!" sagte sie
mit unterdrückter Stimme zu Mautinger.

„Was fällt Dir ein!" rief dieser im Tone der Aufrichtig-'
kcit aus. „Weißt Du doch, Burgei, daß ich Dir stets wohlwollte!"

„Wahr ist es!" erwiderte Burgei und sah sinnend vor
sich hin. „Aber ich weiß auch, daß man sich heute über die
alte braune Burgei recht lästerlich lustig macht," setzte sie nach
einer kleinen Pause hinzu.

„Laß sie reden, die müssigen Mäuler!" eutgegnete Mau-
tinger wohlwollend und reichte dabei dem Weibe die Hand.

Burgei erwiderte seinen Händedruck, und eine Thrüne
glänzte dabei in ihrem Auge. Hierauf wandte sie sich rasch
mit einem stummen Gruße und verließ das Zimmer.

Fragend sah ich den Wirth au.

„Es gibt heute Hochzeit hier!" sagte er erklärend. „Sic
haben soeben die Hochzeiterin gesehen."

Ich konnte mein Erstaunen nicht unterdücken. Dem Wirthe
entging der Eindruck nicht, den diese eben erhaltene Mittheilung
auf mich machte.

„Ja wohl," sprach Mautinger nicht ohne eine innere Be-
wegung, „die Burgei ist nichts weniger als hübsch, und recht ;
arm dazu, und jung ist sie auch nicht mehr, aber ein wunder-
bares Herz hat sie und riesenstark ist sie im Leid! ..."

Das enthielt eine ganze Geschichte, die meine Neugierde,
oder richtiger meine Theilnahme erregte.

„Wie werden Sie erst erstaunen," sagte Mautinger nach
einer Weile, das eingetretene Schweigen unterbrechend, „wenn
Sie Burgci's Bräutigam kennen lernen! ..."

In diesem Augenblicke ertönte von der vorüberziehenden
Fahrstraße her ein lauter wilder Gesang von Männerstimmen.
Ich trat in die Thüre und sah hinaus.

Da kamen drei Bursche, die sich mit den Armen über die
Schultern verschlungen hielten, in unzweifelhaft vom Weine an-
geheitertem Zustand singend daher.

Der in der Mitte wankende Bursche von etwa zwanzig
Jahren war stämmig, aber doch von feinem Gesichtsschnilte.
Er trug über der Oberlippe einen leichten Flaum, der ihm
ganz zierlich stand, wie denn der ganze Junge schmuck genug
aussah, um für das Herz einer jeden Dorfschönen gefährlich zu
werden. Seine Kleidung aber war arm und sehr vernachlässigt
und drückte dem Aussehen des laut johlenden Burschen den
Stempel der Lüderlichkeit auf.

Plötzlich verstummten die drei Bursche.

Sie ließen einander los, und bald entspann sich ein hef-
tiger Wortwechsel zwischen ihnen.

Am lebhaftesten gcberdete sich der Junge, den sie in ihrer
Mitte hatten.

Nicht lange währte das Wortgeplänkel, so ging es in
Thätlichkeiten über.

Mit der Wildheit einer Katze warf sich der hübsche Bursche
auf den einen seiner Geführten und nachdem er ihn trotz ener-
gischer Gegenwehr unter sich gebracht und zu Boden geworfen
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