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Ein Vergnügungszügler ohne Vergnügen.

sich an wie eine Klette!" Also sprach der Zimmermeister Rupp,
ein lebenslustiger Eingeheiratheter, der seine um etwa vier Jahre
altere Ehegattin zärtlich liebte, nur allzu zärtlich, denn, sonst
eine herzensgute Frau, war sie in Bezug auf ihr Eherecht und
in Vertheidigung desselben ein weiblicher Othello. Dies; könnte
ein Fachkundiger schon aus der Wahl der weiblichen Ticnstboten,
welche Frau Rupp für ihren Haushalt stels vorsorglich trifft,
schließen. Sie hatte als junges Mädchen einen alten Vetter ge-
ehlicht, damit das Geschäft in der Familie bliebe, und nach
dessen Tode ihren Pälier auch wegen des Geschäftes gcheirathet,
wiewohl die Familie dagegen war. Aber Rupp verstand sein
Metier, war ein repräsentabler Mann und dem Vernehmen
nach „ohne Anhang" in die Ehe mit Frau Rosine getreten.

■ Er soll früher in Stuttgart längere Zeit gearbeitet haben, das
j wußte so ungefähr seine Gattin, die bei Gelegenheit äußerte:
„Ich habe meine» Mann für mich gcheirathet; mein Georg
kann jedes Vergnügen genießen, was er will, aber nicht ohne
mich, ich will dabei sein!" Gerade diese allzubesorgte Zärtlich-
keit oder vielleicht nur Aufmerksamkeit wurde mit den Jahren
dem Meister Georg Rupp eine lästige Fessel, der er sich'aber
nicht entziehen konnte, wollte er es nicht tagtäglich hören, daß
sic ihn zum Manne gemacht, und er für Frau und Kinder der
treue und besorgte Hausvater sein müsse; und Rupp war gut-
müthig, er liebte seine Kinder und sah fleißig nach der Kund-
schaft , weßhalb er denn auch diese selbst in den Wirthschafts-
lokalen zu jeder Stunde des Tages aufzusuchen Pflegte und hatte
auch die Ehehälfte nichts dagegen, wenn nur dort, wo ihr Mann
verkehrte, keine „allzu freie" hübsche Kellnerin zu finden war.

Die Vergnügungsfahrt »ach Stuttgart mitzumachen, lag
ihm sehr im Sinne, er grübelte und grübelte mehrere Tage,
wie er sich, ohne Argwohn zu erwecken, von seiner Frau für
die Pfingstfeiertage losschrauben könnte. Freund Gempel, den er
in's Vertrauen Hütte ziehen können, wußte sich selbst wenig Rath,
auch seine Frau wollte von der Partie sein, als Herr Gempel
eines Abends die Bemerkung fallen ließ, cs könne sein, daß er
den Vergnügungszug nach Stuttgart mitmache, und ließ sich
nicht mit der Rückäußerung abspeisen: zu zweit' koste es zu viel.

Markt! — Wort von fünf Buchstaben, inhaltsschwer für
den Familienvater, was bedeutest du im Leben der wackeren Haus-
frau jeden Standes und Alters! Die klassischen Griechen und
Römer hatten keine Zeitungen, aber ihr Forum, wo sie ihre Neuig-
keiten in Umlauf setzten; für die modernen Gattinnen und solche,
die es werden wolle», haben die politischen Zeitungen keinen Reiz,
der Markt ersetzt alles, der gibt und empfängt allen Klatsch, an
dem das weibliche Her; sich so sehr erfreut. Jede Marktbesucherin
hat so viel zu thun, so viel zu feilschen und zu kaufen, bis sich
i der Korb füllt; aber jede findet dabei so viel Zeit, um der erst
seit gestern nicht mehr gesehenen Freundin zum Austausche der
Gedanken etliche Augenblicke, die sich dehnen wie Kautschuk, zu
widmen. Der Markt ist die Arena der Weiber bürgerlichen

Standes. Die Damen haben ihre Salons, eine weise sociale

Einrichtung — hier werden beliebte Themata über Dienstboten,
Marktkreuzer der Köchinnen und den guten Ruf Anderer abge-
haspelt, hier kann ein feines Ohr, wo nicht Staats-, doch Raths-

geheimnisse erkunden. Was gestern in geheimer Sitzung verhan-
delt wurde, das erführt eine Gevatterin von der andern, freilich
gegen das Versprechen der Bewahrung für sich im strengsten
Sinne des Wortes. Aber wer vermag so ein geheimes Votum,
so eine Neuigkeit bei sich zu behalten! Das Zünglein hat auf
dem Markt seine volle Arbeit, so sicher wie der Telegraph
schnellt es überall hin das, von dem das Herz seiner Besitzerin
voll ist. Weder Wind noch Wetter vermag die Frau vom Markte
fern zu halten und heißt es von einer: Sie kann nicht einmal
mehr auf den Markt! so bedeutet dieß so viel als die letzte
Wegzehrung. Uebrigens haben, nebenbei bemerkt, die sogenann-
ten Marktneuigkeiten beim großen Publikum denselben Grad der
Glaubwürdigkeit wie weiland die Condukteursnachrichten in den
Postwagenzeiten! —

Auf dem Markte begegneten sich Frau Gempel und Frau
Rupp, letztere einen großen Büschel Spargel tragend, denn sie
sorgte dafür, daß ihr Mann dieses sein Lieblingsgemüse stets
reichlich erhielt. Nach den üblichen Erkundigungen über die eigene
Gesundheit und der beiderseitigen lieben Jugend Hub Frau Gempel
von dem Vergnügungszuge an, denn eben hatte ein Dienstmann
ein Plakat angeschlagen mit der Nachricht, daß heute Nachts
12 Uhr der Zug abgehe und Karten für denselben nur bis
Mittag abgegeben werden.

Meister Rupp hatte wie ein kluger Stratege lange sich
überlegt, wie er ungefährdet und ohne Gattin solchen Vergnüg-
ungszug mitmachcn könnte, und war endlich zum Entschlüsse ge-
kommen. Fein angelegt war sein Plan und tief bewahrte er
ihn in der Brust, denn „das Wort, entschlüpft dem Gehege der
Zähne, ist nicht mehr mein," sang schon vor 3000 Jahren ein
großer Dichter. Nicht einmal seinem Freunde Gempel vertraute
er sich an. Beim gemeinsamen Frühstück mit der Familie warf '
er ganz geschäftsmäßig hin, ihm sei drüben in der Pfalz schönes
Bauholz verrathen worden und er werde vielleicht die Pfingst- j
seiertage benützen, um solches einzusehen. Frau Rupp ahnte nichts
Böses, als ihr Ehegatte am Sonnabend früh ankündigte, er
werde Nachmittag mit dem Ostbahnzuge abreisen und Montag
früh zurückkehren, möglich auch erst Abends. Die Gattin sprach ihr
Bedauern aus über den Verlust der Feiertage, der Gemahl gab
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

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Titel/Objekt
"Ein Vergnügungszügler ohne Vergnügen"
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Serientitel
Fliegende Blätter
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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Ehefrau <Motiv>
Gespräch <Motiv>
Karikatur
Markt
Reise
Frau <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
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Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 54.1871, Nr. 1346, S. 138
 
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