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154

Cagliostro und se

ein, Jacques, doch unter den gewissen Formalitäten." Der
Diener verließ das Gemach.

Cagliostro ließ das Etui in seine Tasche gleiten und rief:
„Lorenza, auf Deinen Posten!"

Doch die Mahnung war überflüssig, denn schon öffnete
Lorenza eine unsichtbare Tapetenthüre, hinter welcher sie ver-
schwand. Der Graf seinerseits ließ eine Veränderung mit seinem
Gesichte vor sich gehen. Die Stirne zog sich höher hinauf, die
buschigen Augenbrauen schienen sich mit den Augenlidern ver-
einigen zu wollen, der Blick strahlte in ungewöhnlichem Feuer,
die Mundwinkel preßten sich fester auf einander, während so
das vor einigen Minuten noch fröhliche Gesicht des Grafen den
Ausdruck des sinnenden, grübelnden Ernstes annahm, das Ge-
sicht voll Geheimniß, das nur stets in Folianten und nie in
das Antlitz eines Staubgebornen zu blicken gewöhnt ist.

In diesem Augenblicke trat die Dame durch eine andere
Thüre, als durch welche der Diener eingetreten war, in den
Saal. Cagliostro ging ihr entgegen; der Diener entfernte sich.

„Guten Abend, Madame," sagte er mit kalter ruhiger
Stimme. „Wollen Sie hier Platz nehmen und mir Ihr An-
liegen vortragen; soweit es in meiner Macht liegt, will ich
Ihnen zu Diensten stehen. Nehmen Sie Platz."

Und der Graf stellte in der Nähe der Tapetenthüre zwei
Sessel zurecht, ließ sich langsam in den einen nieder, und be-
deutete der Dame, sich ebenfalls zu setzen.

Die Dame gehorchte unter dem Einflüsse der Erscheinung
dieses Mannes.

„Wollen Sie mir gefälligst Ihren Namen mittheilen,
Madame," begann der Graf.

Die Dame zögerte. Cagliostro richtete seine tiefen Augen
auf das verschleierte Antlitz der Dame, und seine Strahlenblicke
schienen durch den dichten Schleier derselben bis auf den Grund
blicken zu wollen. Die Dame machte eine leichte Bewegung mit
dem Körper, welche einem Zittern ähnlich sah und antwortete
mit etwas unsicherer Stimme: „Gräfin Desvans."

„Desvans, Desvans," sprach Cagliostro nachsinnend. „Sie
waren wohl noch nicht hier? Sie beehrten mich noch nie mit
Ihrem Besuche?"

„Nie," gab die Gräfin zurück.

„Dann wollen Sie die Güte haben, Ihren Namen, Ihr
Alter und Ihren Geburtsort in dieses Album zu schreiben,"
sagte der Graf, indem er die Hand ausstreckte, und von einem
nahestehenden Tischchen eines von zwei aufeinander gelegten
Büchern nahm, es öffnete und der Gräfin bedeutete, der Auf-
forderung nachzukommen.

Die junge Dame wollte Widerstand leisten, doch der Blick
des Grafen haftete wieder auf ihrem Gesichte, sie erhob sich,
ergriff die Feder und trug folgende Notiz in das Album: Gräfin
! Marie Desvans, geborne L'Ecart, alt zwanzig Jahre, Geburts-
ort Brisseau in der Anvergne.

Ein schneller Blick überzeugte sie davon, daß in diesem
Album sich nur die Namen von Frauen befanden.

Cagliostro nahm das Buch zur Hand, und las laut die
l eingeschriebene Rubrik, während die Dame sich setzte.

ine Somnambule.

„Gut, Madame," sagte er, das Buch zusammenklappend
und auf seinen früheren Platz legend, „und nun, Madame, !
wollen Sie Ihr Anliegen vortragen, ich höre."

Die Dame kämpfte augenscheinlich mit sich, doch endlich
schien die Furcht vor der Zukunft die Furcht der Gegenwart
zu überwinden, sie sprach: „Herr Graf! Angelockt durch Ihren
weltberühmten Namen, durch Ihre weltberühmten Wissenschaften,
hauptsächlich aber durch Ihre wunderthätige Hellseherin bin ich
hiehergekommen, um die Letztere um das Leben eines jungen
Menschen zu befragen, der mir sehr theuer und dessen Leben
von arger Gefahr bedroht ist; ich kenne meinen Mann."

Cagliostro horchte auf, doch er ließ nichts merken.

„Der Name des jungen Mannes?" fragte der Graf.

„Haben Sie Erbarmen, Graf, haben Sie Erbarmen!" j
flehte die junge Dame.

„Der Name dieses jungen Mannes?" fragte Cagliostro. !

,,D' Ortalan."

„Gut, fahren Sie fort."

„Mein Gemahl, der Graf Desvans, hat ungerechtfertigten
Argwohn, in seinem früheren Mitbewerber eine ihm gefährliche ;
Person zu sehen, und während er einige Tage abwesend war, !
und mich meine Tante Dufanage besuchte, kehrte er mit der ;
Anschuldigung zurück, dieser junge Mann hätte mich besucht, |
was durchaus nicht der Fall war. Nun droht er, den armen -
Burschen erschießen, erstechen zu wollen, und obwohl er heute
ruhig das Haus verlassen, weiß ich dennoch, daß er dem arme»,
unschuldigen Manne irgend ein Leid zufügen will. Ich bin nun
gekommen, um von Ihrer Somnambule seine dießbezüglichen
Schritte zu erfahren."

Cagliostro war schon längst mit sich im Reinen, daß näm-
lich diese junge Dame ihren Ehegemahl ein wenig hinter's Licht
zu führen trachte. Er besann sich einige Augenblicke, ging die
Rede der Dame einmal im Geiste durch und blickte zu Boden.

Tie Gräfin sah ihn gespannt und erwartungsvoll an. Der
Gras Cagliostro erhob sich. „Folgen Sie mir, Madame," sagte
er, „wir wollen zur Somnambule gehen, kommen Sie." Und
er reichte ihr den Arm und verließ mit ihr den Saal.

Kaum war die Thüre hinter ihnen zugcfalle», öffnete sich
die geheime Tapetenthüre und Lorenza, flüchtig wie ein Reh,
durchlief den Saal, dann einen zweiten, einen dritten und eilte
in einen vierten, hinter sich die Thüre zuwersend.

Jndeß führte der Graf Cagliostro seine Besucherin durch
ein Gewinde von Zimmern, bis sie in einen dunklen, matt-
erleuchteten Saal, der mit kabalistischen Bildern behängt war,
traten. Dort lag auf einem Sessel ein junges Mädchen —
Lorenza — mit schlaff hcrnicderhängcndem Kopfe und Händen,
während ihre Füßchen unbedeckt am Boden auflagen.

„Treten Sie leise auf, Madame," sagte Cagliostro, „und
sprechen Sie kein Wort, die Somnambule befiudet sich noch in> !
gewöhnlichen Zustande des Schlafes, das kleinste Geräusch könnte
sie erwecken und dann dürfte es mir schwer fallen, sie wieder j
cinzuschlüfern, um das Mysterium beginnen zu können. Lasse"
Sie sich auf diesen Sessel nieder und warten Sie."

Das gehcimnißvolle Dunkel des Zimmers, die tiefe Todte»-
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