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•202

Der Zaubert appen rc.

Mundwinkel hatten sich gehoben zu schelmischem Lächeln, die
Augenbrauen hatten eine gestrecktere Lage angenommen und damit
die vorher faltige Stirn geglättet: kurz, seine ganze Physiognomie
ähnelte dem Vollmond, wie er einem Liebespaar in stiller Laube
zulächclt. Jetzt legte er den rechten Zeigefinger an die Stumpf-
nasc und spracht „So geht's!", denn der beste Gedanke für
diesen Fall hatte sich aus ihm entwickelt, so daß cs nur noch
einiges Händereiben und einiger gemessener Schritte durch das
Zimmer bedurfte, um diesen Gedanken zur Reife zu bringen.
„Wer hätte wohl gesucht die Kraft
Im süßen Grüneberger Saft,

Daß er die Dummen macht gewitzt
Und ferner uns vor Dieben schützt —

Es gibt doch Dinge in der Welt,

Die Mancher nicht für möglich hält!"

Damit schritt Herr So-und-so zur Hcrbeischaffung der
nöthigen Dinge für die Ausführung.

Ein blauer Tuchlappen, eine Bibel, etwas Turnbullblau, '
Kohlenpfannc, Weihrauch und ein Paar Stecknadeln waren
bald gefunden.

Der Tuchlappcn wurde nun auf dem Teckel der Bibel
befestigt, der Lappen mit mächtig färbendem Turnbullblau be-
strichen und die Kohlenpfanne nebst dem Weihrauch in einem
kleinen, spiegcllosen Zimmer mit verschließbaren Fensterläden
bereitgestellt.

Nachdem dieß geschehen, an einem Sonntagmorgen, ver-
sammelte So-und-so seine Commis im großen Wohnzimmer und
: nach üblichem Räuspern redete er mit feierlich ernster Miene
also zu ihnen:

„Meine werthen Herren Commis! Ich habe seit lange mein !
ganzes Vertrauen in Sic gesetzt, mich aber seit einiger Zeit
überzeugt, daß dieses Vertrauen durchweg nicht gerechtfertigt
war, denn jeden Sonnabend hat sich bei der Berechnung ein
j Deficit herausgcstellt und ich weiß nicht, welchen oder welche ich
j von Ihnen als schuldig betrachten soll. Darum habe ich mir
einen Tuchlappcn von dem Rock des heiligen Crispinus aus Rom
verschrieben, durch dessen Berührung jeder Dieb unter besonderen
Umständen sofort entdeckt wird. Um der erhaltenen Gebrauchs-
anweisung zu folgen, kommen Sie alle jetzt mit nach dem kleinen
Hinterstübchen."

Hier zeigte er den Commis den auf der Bibel befestigten
Zaubcrlappcn und bat sie, sich den Platz genau zu merken und
nun nach dem Versammlungszimmer zurückzukchren, damit er die
nöthigen Vorbereitungen treffen könne, welche darin bestanden,
daß er die Fensterläden des Zimmerchens verschloß und daraus
zur Erhöhung der Feierlichkeit dasselbe mit Weihrauch ausräucherte. j

Hiernach begab sich Herr So-und-so zu den Commis zurück
und sprach mit noch feierlicherer Miene als vorher wie folgt
j zu ihnen:

„Meine werthen Herren Commis, wer sich von Ihnen !
schuldig fühlt, erhebe die Hand. — Da sich der Schuldige auf
diese Weise nicht zu erkennen gibt, muß ich zum Zaubcrmittel
schreiten.

Den Unschuldigen muß an der Offenbarung ihrer Unschuld
; gelegen fein; merken Sie darum wohl auf, was Alle zu thun haben.

Sie gehen einzeln nach dem kleinen, jetzt dunkeln Zimmer,
falten da die Hände auf dem Rücken und neigen sich so, daß
Sie den Zaubcrlnppen auf der Bibel mit Ihrer Stirn berühren,
wonach Sie dann in das Nebenzimmer zurückkehren, wo wir
Alle uns jetzt versammeln werden.

Drücken Sie aber die Stirn ja recht fest auf das Tuch
des heiligen Crispinus! damit ich das „Schuldig" deutlich lesen
kann: denn dieser Zaubcrlappcn hat die Kraft, alle Diebe an-,
zugcben, deren Stirne damit in Berührung kommt."

Nun ging So-imd-so mit seinen acht Commis nach dem
große» Nebenzimmer des kleinen, dunklen Stübchens, stellte hier
dieselben nach der Reihe, mit den Gesichtern gegen die Wand
auf und ließ nun einen nach dem Andern in das Zimmerchen
gehen, um seine Stirn auf den Zauberlappen zu drücken, wonach
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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der Zauberlappen, oder wunderbare Wirkung des Grüneberger Champagners"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Mann <Motiv>
Flasche
Schaumwein
Champagner
Geld <Motiv>
Heilige Schrift
Leuchter
Rechnen
Münze <Motiv>
Champagnerflasche
Karikatur
Vorgesetzter
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 54.1871, Nr. 1354, S. 202
 
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