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Die Gartenkunst — 9.1907

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Kießling, A.: Die Bedeutung und Verwertung der Perspektive und des freien Zeichnens beim Entwerfen von Gartenanlagen, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.22777#0019

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IX, 1

DIE GARTENKUNST

11

keine Anhaltspunkte für die spätere Wirklichkeit, weil die in kurzem unter den überwölbenden Baumkronen der Um-
rein geometrische Aneinanderreihung genau wie der Plan gebung erstickt werden. So gehen dann landschaftliche
keine perspektivischen Verschiebungen und Verkürzungen Werte verloren. Eine einzige Konstruktionsskizze führt
der Natur entsprechend ergibt. Das alles leistet aber die solche Unmöglichkeiten sofort vor Augen!
Perspektive, also hat sie praktischen, technischen Wert Das ist das Allerwichtigste, was für die fachmännische
auch in der freiesten Landschaft. Ansicht spricht! —Der Weg, eine Perspektive zu ent-
Naturgemäfs besitzt der gewiegte Fachmann einen wickeln ohne Phantasie, ergibt sich unschwer aus den
ganz anderen Überblick, als der jüngere, ungeübtere, doch Forderungen der Praxis.

ist es in manchen Fällen selbst dem Kenner der Perspek- Einheitlichkeit und praktischer Wert bedingen die An-

tive schwer, ein sicheres- Urteil über Verschiebungen usw. nähme eines bestimmten Durchschnittsalters der darzu-

abzugeben. Die Idee allein tut es dabei ja nicht, weil der stellenden Landschaft, weil dieses für den Eindruck der

Nivellementsplan „und" die ßepflanzung zusammengehören Szenerie von einscheidendster Bedeutung ist. Jüngste

und Überraschungen bieten, welche sich zuverlässig erst Anlage — alter Park: Anfang und Ziel!

Abb. 2. Ansicht zu Abb. 1.

durch die Konstruktion ermitteln lassen. Man betrachte
Abb. 3 und 4.

Ein (beispielshalber) krasser, jedoch nicht schwierig
zu beurteilender Fall liegt hier vor, indem die Horizontalen
bei „I" falsch gelegt sind, wenn der Blick über das Wasser
ganz frei gedacht ist. Durch die so entstehende Erdwelle
würde die Wasserfläche gröfstenteils verdeckt. Die Kor-
rektur bei „II" vermeidet diesen Fehler.

Solche Verbesserungen werden durch unsere ver-
schiedenen Mafsstäbe und die Eigentümlichkeit der
meisten Bepflanzungspläne, nur die Pflanzfläche anzu-
geben, öfter bedingt, als man anzunehmen geneigt ist.
Im Mafsstab 1 :500 z. B. wirken die Teilendes Vorder-
grundes bei weitem nicht so bedeutend, als es sich nach-
her perspektivisch ergibt: die Folge ist Unterschätzung,
Wie es bei Bildern mit dem Format der Fall ist, so er-
geben auch die grofsen Mafsstäbe, wie schon derjenige
von 1 : 100 eine viel natürlichere Möglichkeit der Be-
urteilung.

Es ist nicht verwunderlich, wenn Anfänger in grofser
Gemütsruhe im Bepflanzungsplan eine schmale Rasenbahn
mit lichtliebenden Stauden besetzen, welche naturgemäfs

Das Bild der ersteren ist der dürftige Anfang; die
Baumschule ist noch zu stark vertreten, also kommt dieses
nur unter ganz besonderen Umständen in Betracht.

Eine 100jährige Vegetation ist, wenn man zu seiner
eigenen Kritik arbeitet, ebensowenig angebracht, weil sie
sich der Berechnung entzieht und man ihr Bild nicht
erlebt. Der letztere Grund mag nicht stichhaltig erscheinen,
jedoch leuchtet ein, dafs man in diesem Fall ständig mit
Bildern zu tun hätte, welche man an den eigenen Anlagen
nie zu sehen bekäme, welche also nicht zum Selbstunter-
richt dienen können. Mit ca. 15 Jahren gibt wohl jede
Anlage ein dankbares Bild zur Beurteilung, wenn auch die
Reife der Pflanzung noch nicht die ist, als nach mehreren
Jahrzehnten. Eine bestimmte Norm erscheint verfehlt:
Zweck, vorhandener Bastand u. dgl. entscheiden von Fall
zu Fall.

Bei der Zahl der Ansichten kommen die wertvolleren
Teile des Plans nur in Betracht — um nicht unnötig Zeit
zu verlieren. Aus demselben Grunde greift man als Fun-
dament jedes „Blickes" zunächst „Standpunkt" und „Kern-
punkt" heraus. Da es in der Ansicht nicht möglich ist,
durch veränderte Stellung vor dem fertigen Bilde die
 
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