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Göbel, Heinrich
Wandteppiche (III. Teil, Band 2): Die germanischen und slawischen Länder: West-, Mittel-, Ost- und Norddeutschland, England, Irland, Schweden,Norwegen, Dänemark, Russland, Polen, Litauen — Leipzig, 1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.13168#0134

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Hamburg. Altona. Stade. Schleswig-Holstein

Dietrich von Holten. Möglicherweise ist der Teppich (Abb. 97 a, H. 1,58 m, L. 1,25 m) noch
zu Lebzeiten Schrötteringks in Auftrag gegeben; mit größerer Wahrscheinlichkeit handelt
es sich um ein Erinnerungsstück, das die Witwe frommen Sinnes wirken ließ. Auch das
Motiv der Mitteldarstellung — Jakob ringt mit dem Engel: Ich lasse dich nicht, du segnest
mich denn — scheint die Annahme zu unterstützen. Die Lösung der Flora erinnert stark an
die rund ein Vierteljahrhundert frühere Schaumburger Folge. Von besonderem Reiz sind
die architektonischen Details: Gutshöfe im Hintergrunde rechts und links. Die Bordüre ist,
gleichfalls in eine Reihe von Einzelheiten aufgelöst — Vasen, Früchte und Blumen —, in
der Hauptsache der Fassung der Augustus-Serie entlehnt und nur in geringem Maße dem
gewandelten Geschmack angepaßt: stärkere Betonung der Modeblumen, der Tulpen und
Nelken. Neu sind die zwei großen Figuren — ein bärtiger Mann links, eine Frau rechts —
in der Mitte der Seitenleisten. Als Vorlage dienten Antwerpener, eher noch holländische
Kartons. Auf jeden Fall steht die Manufaktur des Schrötteringk-Teppichs dem Betrieb der
Herseele, über dessen spätere Tätigkeit wir urkundlich nichts Näheres wissen, recht nahe.

Als Abtakt folgt — soweit Hamburger als Auftraggeber mit Sicherheit in Frage kom-
men — eine Serie von zwölf Kissenblättern aus dem ehemaligen Kloster Hervardeshude
(Abb. 96 b). Als Patron erscheint Johannes der Evangelist, der Schutzheilige des Klosters.
Als Helmschmuck prangt der gotische Äbtissinnenstab. Der Wappenmantel überspinnt bei
elf Kissen den schwarzen, bei einem Exemplar den weißen Grund; Blumen — vornehmlich
Tulpen und Früchte (Weintrauben usw.) — decken die Zwickel. Als Vorlage des Johannes
diente, nach Justus Brinckmann, die Figur des silbernen Deckels eines Evangelienbuches
aus dem Kloster Hervardeshude. Die Kopie erfolgte im Spiegelbilde; die Kissen sind, wie
nicht anders bei den eingewanderten Niederländern zu erwarten war, in tieflitziger Tech-
nik durchgeführt. Die Entstehung der Kissenserie dürfte, nach der Art der Blumenwieder-
gabe zu urteilen, um 1625 anzusetzen sein.

In engem, stilistischem und technischem Zusammenhang mit dem Salomo-Saba-Kissen
— Häufung der Stadt- und Burganlagen im Hintergrund, harte Zeichnung der Blumenbüschel,
Erfassung der Gesichter usw. — steht ein kleiner Behang (H. 1,42 m, L. 1,36 m, Abb. 96 c)
oder ein besonders groß ausgefallenes Hochsitzkissen, im Eigentum der Münchener Kunst-
handlung L. Bernheimer. Die Farbengebung ist lebhaft aber nicht bunt. Die Ranken-
bordüre dürfte einem zeitgenössischen Holzschnitt oder Stich entlehnt sein. Das Hoheits-
zeichen (heraldisch rechts in der unteren Rahmung) stimmt mit dem an gleicher Stelle be-
findlichen Wappen des Orpheuskissens überein; das Zeichen links ist nicht genügend klar
erkennbar, um Rückschlüsse zu ermöglichen.

Hamburger Ursprungs ist ferner ein Kissenblatt (H. 0,82 m, L. 0,78 m, Abb. 96 a) im
Besitze der Berliner Kunsthandlung Margraf & Co. Zur Darstellung gelangt im Vordergrund
die Rückkehr des siegreichen Jephta — seine Tochter eilt ihm mit ihren Gespielinnen ent-
gegen —, im Fond geht sinngemäß das Opfer Isaaks in Szene. Die Bordüre zeigt den be-
kannten flämischen Fruchtblumentyp, verbrämt und gefaßt von lederschnittähnlichen Vo-
luten, Vasen, allegorischen Figuren und Löwenmaskarons. Die Entstehungszeit dürfte um
1610 anzusetzen sein.

Einem recht eigenartigen Stück — vor einem Brokatbehang stehende Madonna mit dem
Kind im Arm, flankiert von Säulen, überhöht von einem Fries mit der Inschrift VIRTVTI
PALMA DATUR und einem Bogensegment mit antikem Kopf in der Art der Terrakotten
des Statius von Düren, unten abgeschlossen mit einer Rankenvolute, die das Hamburger
Wappen faßt —•, das vor einem Jahrzehnt im Berliner Kunsthandel auftauchte (H. 2,38 m,
L. 1,40 m), stehe ich recht skeptisch gegenüber. Die technische Durchführung ist ungleich-
mäßig, auch stilistisch habe ich hinsichtlich der Echtheit, d. h. der Entstehung im enden-
den 16. Säkulum, starke Bedenken.

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