Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Oth.]; Meyer, Bruno [Oth.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 1) — Leipzig: Verlag von A. H. Payne, 1871

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.62315#0074
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
L

34 Deutſchlands Kunſtſchätze.

mit ſtolzen Geſichtszügen und langem, ſchlicht herabhängendem Haar Er trug einen Hut mit
ungeheurer Krämpe, mit einer rothen Feder geziert, welche bis tief auf ſeinen Rücken hinabhing.
Ein ponceaurother Mantel hing über einem Wamms, welches, mit reichen Stickereien verſehen,
breite ſcharlachrothe, grüne und weiße Streifen zeigte. An der Seite trug der Cavalier einen über-
mäßig langen Raufdegen mit künſtlich geflochtenem Korbe, während, der Mode der Zeit nach, eine
ungeheure Brille ſeine Naſe zierte.

Er ſchob die Brille mehrere Secunden lang in die Höhe, um Denjenigen, welcher ihm ent-
gegenkam, genauer, als ihm dies durch die Gläſer möglich wurde, zu betrachten. Er ſah einen
Mann vor ſich, der etwa zweiunddreißig Jahre alt ſein mochte, mit glänzenden, durchdringend
blickenden Augen und einem edlen, vornehmen Geſichtsausdrucke. Die zierliche, aber kräftig ſchei-
nende Geſtalt des Fremden war durchaus in Schwarz gekleidet, während ſein kleiner, aufgeſchla-
gener Hut einen eleganten, weißen Federſtutz zeigte. Sein Stoßdegen gab demjenigen des Andern
an Länge nichts nach.

„Was fällt Euch ein, Sennor“, ſagte der Bebrillte, indeß er ſich in den Bügeln hob, „daß
Ihr in dieſe Straße einreitet, obgleich Ihr hörtet, daß am andern Ende derſelben meine Schelle
läutete? Schreibt es Euch ſelbſt zu, daß Ihr die Unannehmlichkeit habt, wieder umkehren
zu müſſen.“

„Ich habe Eure Glocke erſt dann gehört, als es für mich zu ſpät war“, erwiederte der Fremde.
„Ich befand mich bereits mitten in der Straße.“

„Nun, und weshalb thatet Ihr nicht Eure Schuldigkeit und klingeltet, als Ihr in dieſe Gaſſe
einrittet?“

„Aus einem ſehr einfachen Grunde — ich beſitze keine Glocke. In dem Lande, woher ich
komme, hat man ſolche Requiſiten nicht nöthig, denn dort reichen die Straßen für ein Dutzend von
Reitern aus, welche neben einander aufmarſchiren.“

„Das iſt meine Sache nicht!“ ſagte der Mann mit der Brille hochfahrend, indeß er ſein
Pferd antrieb. „Macht Platz, bitte ich, ſonſt werde ich mir Raum machen.“

Er blickte über ſeine linke Hand hinüber nach ſeinem Degengefäß.

„Ich ſelbſt würde ſehr gern umkehren“, erwiederte der Andere höflich, „doch das würde wenig
nützen; denn wie Ihr ſeht, folgt mir mein Diener, und wie die Sachen ſtehen, iſt es unmöglich,
daß er das Maulthier umwende.“

„Nun, ſo erduldet das Schickſal, welches Eure Unvorſichtigkeit Euch bereitet!“ rief der
Cavalier, indeß er ſehr ruhig ſeine Brille in die Taſche ſteckte und den Degen zog.

„Was gedenkt Ihr zu thun? Seid Ihr wahnſinnig?“ fragte der Fremde, indeß er unwill-
kürlich über ſeine Zügelhand hinabgriff und ſeine Klinge entblößte.

„Niederreiten werde ich Euch!“ war die Antwort, indeß der tapfere Ritter ſein altes, ſteifes
Pferd zum Piaffiren nöthigte.

„Seht Euch vor, oder Ihr ſammt Eurer Roſinante werdet im nächſten Augenblicke vor den
Hufen meines guten Thiers im Staube liegen.“

„Das werde ich abwarten, Sennor!“ ſagte der Renommiſt „Ich werde ſehen, ob Ihr auf
einen Mann, wie ich es bin, einen Angriff wagt.“

„Wer ſeid Ihr denn, wenn Euch die Frage doch nicht etwa beläſtigt?“
Image description
There is no information available here for this page.

Temporarily hide column
 
Annotationen