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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Bearb.]; Meyer, Bruno [Bearb.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 1) — Leipzig: Verlag von A. H. Payne, 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.62315#0075
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Deutſchlands Knnſtſchätze. 35

„Ich bin der erſte Maler in ganz Andaluſien!“

„Was?“ rief der Andere erſtaunt und ungewöhnlich heiter werdend. „Andaluſien wird doch
nicht ſo unglücklich ſein und außer ſeinem Juan de Caſtillo, welcher vor zwei Jahren ſtarb, ſeinen
Alonzo Cano und Francesco Zurbaran verloren zu haben, um in Euch den Rey de los pintores,
den König der Maler, ſuchen zu müſſen?“

„Ei, in der That, Sennor“, rief der Andere höhniſch, „habt Ihr dieſem trockenen, pedantiſchen
Pinſelhelden nicht noch andere Namen hinzuzufügen? Murillo und Pedro de Moya gehören von
Rechtswegen zu jener altersſchwachen Sippſchaft.“

„Pedro de Moya ſchätzt ſich das zur Ehre, Sennor“, erwiederte der Fremde mit Nachdruck.
„Ich darf dies mit vollem Recht behaupten, denn ich ſelbſt bin de Moya. Nur ein Narr kann in
ſeinem Uebermuth die Namen der gefeierten Meiſter der Schule von Sevilla verunglimpfen und
mit ſeinen unheiligen Fäuſten antaſten ... Gebt Raum, oder ich werde Euch eine Niederlage
bereiten, wie Ihr ſolche noch nicht erfuhrt.“

Der „erſte Maler Andaluſiens“ erſchien beſtürzt, und ſah mit weitgeöffneten Augen ſeinen
Gegner an. Dann aber bemächtigte ſich ſeiner eine wilde Wuth.

„Ich werde Euch Euren Narren mit meiner Degenſpitze in die Kehle hinabſtoßen“, rief er,
indeß er ſein Rappier ſchwang und auf den Gegner losritt. Antonio Caſtillo de Saavedra wird
Euch zeigen, daß er einen entlaufenen Schüler ſeines Oheims, des Juan de Caſtillo, zu züchtigen
verſteht.“

„Und ich verſtehe mich zu vertheidigen“, erwiederte de Moya. „Ich bin nicht umſonſt in's
Feldlager gelaufen.“

Im Augenblicke waren die Klingen gekreuzt und die Reiter ſuchten ſich mit Aufwand aller
ihrer Kraft und Geſchicklichkeit gegenſeitig mit den Degenſpitzen zu erreichen. Bisher hatten ſich
an beiden Enden der Straße Menſchen verſammelt, denen der Durchgang durch die Reiter ver-
ſperrt worden war. In den kleinen Fenſtern der Häuſer zeigten ſich allenthalben neugierige
Geſichter, meiſt Frauen angehörend. Das Gefecht hatte kaum begonnen, als der Ruf laut wurde:

„Los hijos dela Santa Hermandad! Die Söhne der heiligen Brüderſchaft!“

Dieſe heiligen Herren, welche etwa mit bewaffneten engliſchen Conſtablern zu vergleichen
ſein würden, waren der Art, daß man nicht gern mit ihnen ſcherzte. Links und rechts öffneten ſich
die großen Pforten in den weißgetünchten Mauern, und dienſtfertige Hände ſtreckten ſich aus, um
die Thiere der Reiter beim Zügel zu faſſen.

„Hier herein!“ rief ein eisgrauer Mann, indeß er das Pferd des Pedro de Moya beim
Hauptgeſtell ergriff und daſſelbe durch ein weites Thor in einen großen, wohlgepflegten Garten
zog, worauf der Diener auf dem Maulthiere in großer Gemüthsruhe nachfolgte „Wo iſt der
andere Herr?“ fuhr der Alte fort, wieder nach der Pforte ſpringend, als er die erſten Beiden in
Sicherheit gebracht hatte.

Der Rey de los pintores hatte nicht erſt gewartet, bis ihn der Alte abholte, ſondern trieb
ſein altes Thier mit Sporenſtößen vorwärts, ſo daß daſſelbe in kurzem Galopp in den Garten kam.

Sofort verſchloß der alte Mann die Pforte und nahm einen Rechen zur Hand, um die
Spuren des Hufſchlages durch gründliches Harken zu vertilgen. Es dauerte nicht lange, ſo hörte
man Stöße an der Pforte hallen, welche mit eiſenbeſchlagenen Partiſanſchaften geführt wurden.

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