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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Bearb.]; Meyer, Bruno [Bearb.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 1) — Leipzig: Verlag von A. H. Payne, 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.62315#0112
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66 - Deutfchlands Kunſtſchätze.

bildete um das feine Opal des Geſichts eine bauſchige Einfaſſung. Ein kappenaͤhnliches Sammet-
häubchen mit reichem Perlenſchmuck bedeckte ihren Scheitel. Die Ehrendamen trugen gleich der
Königin keine nach dem ſchwerfälligen engliſchen Schnitt der damaligen Zeit gefertigten Kleider,
ſondern waren nach franzöſiſcher Mode in hellfarbige Stoffe gekleidet. Lady Everley war eine
überaus ſchöne Blondine, mit der zarteſten Farbe des Geſichts und der Hände, die einen Maler
hätte zur Verzweiflung bringen können, während die Gräfin de Mailleron nachtſchwarze Augen und
womöglich noch ſchwärzeres Haar bei einem bräunlichen Scheine des Teints beſaß. Sie ſchienen,
ungeachtet des ernſten, ſoeben beendigten Geſchäfts, ebenſo heiter geſtimmt, als die Königin.

Als der Narr bei den drei Damen angekommen war, blieb er ehrfurchtsvoll ſtehen, ließ die
Vorübergehenden paſſiren und bemühte ſich dann eifrig, eine große Medaille los zu machen, welche
an dem einen der Eſelsohren ſeiner Kappe befeſtigt war. Er ſchien, wie ſehr er auch zerrte und
drehte, das Schauſtück nicht abreißen zu können.

„Was machſt Du da, Pinch?“ fragte Anna, über die ſcurrilen Bewegungen des Narren unwill-
kürlich lachend.

„Nun, ich wollte Dir mein Ehrenzeichen ſchenken, Du ſiehſt es doch, Taute? ?“ erwiederte Pinch
und zeigte ſeine Kappe. „Ich habe es geſtern erſt erhalten. Hier lies einmal, was darauf ſteht.
Nimmſs nicht übel, es iſt nicht Lateiniſch und Griechiſch, oder Franzöſiſch, was Du verſtehſt, ſondern
Engliſch, ganz hübſches, luſtiges Engliſch, worin Du nicht ſehr bewandert biſt, und ich hätte Dir
daher dieſe Inſchrift gleich vorleſen und verdolmetſchen ſollen. Höre zu, Tante: Pinch Twitcher
das heißt „Kneip Zwicker“, trägt dies Ehrenzeichen für den größten Narrenſtreich in der Welt.

„Und welcher war der, Vetter?“ fragte die Mailleron.

Hoho, Vetter? Wir ſind näher verwandt, pardonnes, liebes Schweſterchen“; rief der Narr.
„Ich ſollte während der Predigt das Maul halten, ich bitte nochmals um Entſchuldigung. Vetter
Heinrich verſprach mir die Peitſche, aber ich raiſonnirte fort. Ich ſollte keine Capriolen machen
und Geſichter ſchneiden und den Prediger nicht in's Lachen bringen, aber ich that's dennoch. Ich
ſollte bei Strafe, ſofort aufgeknüpft zu werden, mein ſchönes Gebetbuch verbrennen, welches ich mit
vieler Mühe ſelbſt ausgearbeitet und ſauber auf Pergament geſchrieben habe. Zur Antwort habe
ich dem Vetter Heinrich Alles vorgeſungen, was in meinem Büchlein ſteht, vom bis zum Ende.“

„Und dann haſt Du daſſelbe verbrannt?“ fragte Anna Boleyn.

„Gott bewahre, hier habe ich's!“ erwiederte Pinch und brachte aus ſeiner Jacke ein kleines
Buch hervor, auf deſſen Schale ein wundervoll in Miniatur gemaltes Narrenwappen gemalt war.
„Was ſollte ich ohne mein Buch in der Kirche? Wie ſollte ich nach der Mode beten können?“

„Laß doch ſehen, wie Du nach der beteſt, Pinch!“ meinte die Everley, während die Kö-
nigin allmälig ernſter wurde.

Pinch öffnete ſein Buch und ſang pathetiſch etwa Folgendes⸗ wovon die ascetiſchen Strophen
engliſch, die Couplets aber franzoſiſch waren.

„In tiefer Reue beugen wir uns,

Unſre Sünden wollen uns erdrücken. —
Reit' ich nicht, ſchönſter Chevalier,
Gleich Dir und baize Reiher?

Und tanz ich nicht gleich einer Fee?
Und küſſe gleich dem Feuer? —
Wir thun Buße in Sack und Aſche —

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