112 Dentſchlands Kunſtſchaͤtze.
von ihrer Entſchloſſenheit noch gehoben wurde, daß der feurige Franzmann nicht umhin konnte, ſich
heftig in die kleine Eigenſinnige zu verlieben.
„Ich liebe Dich!“ ſagte er, in das Zelt der Feldwache tretend, wo das Mädchen bewacht
wurde. „Sieh' mich an. Könnteſt Du meine Leidenſchaft erwiedern: ſo mache ich Dich zur Mar-
ſchallin von Frankreich.“
„O, ich will nicht!“ rief Caroline ſchluchzend; „ich habe ſchon längſt einen Geliebten. Er iſt
kein Marſchall; aber viel jünger und ſchöner als Du biſt.“
Guébriant drehte ziemlich pikirt ſeinen langen, ſchon etwas in's Weißliche ſpielenden, unge-
heuren Schnurrbart, drehte ſich auf dem Abſatze und ging, verliebter als je im Leben, indeß er das
alte Lied brummte:
„Et si le Roi savait
La vie que nous menons,
Il descendrait du tröne
Et se ferait Dragon.“
Sans-Regret mußte, weil er mehrere Rottweiler Familien kannte, es verſuchen, ſie zu beruhigen.
Sie ward wirklich ſo zutraulich, daß ſie dem Trompeter ihren Namen und ihre Wohnung ſagte
und bat, daß er ſie entſchlüpfen laſſen möge. Als er ſtatt deſſen aber ſie ernſtlich ermahnte, dem
Feldherrn Gehör zu geben, ward ſie wieder ſtumm wie vorher. Eine Stunde ſpäter war die
Caroline von Rottweil glücklich entkommen; Niemand wußte wie.
Das war die Dame, vor deren Hauſe die beiden Franzmänner hielten. Guébriant ſtieg ab,
Sans-Regret hielt den Schimmel des Marſchalls, und ſah höchſt ingrimmig murrend zu, wie
dieſer ſich das Haus öffnen ließ und dann klirrend die Treppe hinan ging.
„Wohnt hier Caroline?“ fragte Onele Guébriant ſehr naiv.
„Ja, die Tochter vom Hauſe heißt ſo!“ erwiederte ſehr erzürnt die Magd. „Die werdet Ihr
doch um ſo ſpäte Abendzeit nicht beſuchen wollen?“
Guébriant blickte auf ſeinen eben nicht ſehr empfehlend ſehenden Anzug eines gemeinen
bayriſchen Reiters, und erwiederte dann:
„Ja doch! führe mich hin; Du wirſt ſehen: ſie wird mich etwas rückſichtsvoller als Du
empfangen.“
Ein ſehr lebhafter Wortwechſel erhob ſich. Links und rechts öffneten ſich Zimmerthüren und
heraus trat, unter mehreren älteren Frauen und verſchiedenen Männern, ein Mädchen, welche der
Marſchall augenblicklich als ſeine „Unbändige“ erkannte.
„Caroline!“ rief er. „Ich hoffe, Du heißt mich in Rottweil willkommen.“
„Wie?“ ſagte der Herr som Hauſe, befremdet vortretend.
„Silenee, Monsieur, et allez-vous-en!“ ſagte Guébriant.
„Guébriant! Marſchall Guébriant!“ kreiſchte Caroline, die Hände zuſammenſchlagend. „Die
Franzoſen! Barmherziger Gott! Hülfe! Die Franzoſen ſind in der Stadt!“
Guébriant beſann ſich kurz. Dies war ein fataler Zufall. Er hörte oben im Hauſe Waffen
klirren, deutſche Commandowörter ſchreien . . . Die einquartierten Bayern und Kaiſerlichen ſtürzten
die Treppe herab. Es war die höchſte Zeit, ſich zu entfernen ... Guébriant ſchwang ſich eben in
den Sattel, als die Infanteriſten aus dem Hauſe kamen. Im geſtreckten Galopp ſprengten die
von ihrer Entſchloſſenheit noch gehoben wurde, daß der feurige Franzmann nicht umhin konnte, ſich
heftig in die kleine Eigenſinnige zu verlieben.
„Ich liebe Dich!“ ſagte er, in das Zelt der Feldwache tretend, wo das Mädchen bewacht
wurde. „Sieh' mich an. Könnteſt Du meine Leidenſchaft erwiedern: ſo mache ich Dich zur Mar-
ſchallin von Frankreich.“
„O, ich will nicht!“ rief Caroline ſchluchzend; „ich habe ſchon längſt einen Geliebten. Er iſt
kein Marſchall; aber viel jünger und ſchöner als Du biſt.“
Guébriant drehte ziemlich pikirt ſeinen langen, ſchon etwas in's Weißliche ſpielenden, unge-
heuren Schnurrbart, drehte ſich auf dem Abſatze und ging, verliebter als je im Leben, indeß er das
alte Lied brummte:
„Et si le Roi savait
La vie que nous menons,
Il descendrait du tröne
Et se ferait Dragon.“
Sans-Regret mußte, weil er mehrere Rottweiler Familien kannte, es verſuchen, ſie zu beruhigen.
Sie ward wirklich ſo zutraulich, daß ſie dem Trompeter ihren Namen und ihre Wohnung ſagte
und bat, daß er ſie entſchlüpfen laſſen möge. Als er ſtatt deſſen aber ſie ernſtlich ermahnte, dem
Feldherrn Gehör zu geben, ward ſie wieder ſtumm wie vorher. Eine Stunde ſpäter war die
Caroline von Rottweil glücklich entkommen; Niemand wußte wie.
Das war die Dame, vor deren Hauſe die beiden Franzmänner hielten. Guébriant ſtieg ab,
Sans-Regret hielt den Schimmel des Marſchalls, und ſah höchſt ingrimmig murrend zu, wie
dieſer ſich das Haus öffnen ließ und dann klirrend die Treppe hinan ging.
„Wohnt hier Caroline?“ fragte Onele Guébriant ſehr naiv.
„Ja, die Tochter vom Hauſe heißt ſo!“ erwiederte ſehr erzürnt die Magd. „Die werdet Ihr
doch um ſo ſpäte Abendzeit nicht beſuchen wollen?“
Guébriant blickte auf ſeinen eben nicht ſehr empfehlend ſehenden Anzug eines gemeinen
bayriſchen Reiters, und erwiederte dann:
„Ja doch! führe mich hin; Du wirſt ſehen: ſie wird mich etwas rückſichtsvoller als Du
empfangen.“
Ein ſehr lebhafter Wortwechſel erhob ſich. Links und rechts öffneten ſich Zimmerthüren und
heraus trat, unter mehreren älteren Frauen und verſchiedenen Männern, ein Mädchen, welche der
Marſchall augenblicklich als ſeine „Unbändige“ erkannte.
„Caroline!“ rief er. „Ich hoffe, Du heißt mich in Rottweil willkommen.“
„Wie?“ ſagte der Herr som Hauſe, befremdet vortretend.
„Silenee, Monsieur, et allez-vous-en!“ ſagte Guébriant.
„Guébriant! Marſchall Guébriant!“ kreiſchte Caroline, die Hände zuſammenſchlagend. „Die
Franzoſen! Barmherziger Gott! Hülfe! Die Franzoſen ſind in der Stadt!“
Guébriant beſann ſich kurz. Dies war ein fataler Zufall. Er hörte oben im Hauſe Waffen
klirren, deutſche Commandowörter ſchreien . . . Die einquartierten Bayern und Kaiſerlichen ſtürzten
die Treppe herab. Es war die höchſte Zeit, ſich zu entfernen ... Guébriant ſchwang ſich eben in
den Sattel, als die Infanteriſten aus dem Hauſe kamen. Im geſtreckten Galopp ſprengten die