Deutſchlands Kunttſchätze. 113
Franzoſen von dannen, während Sans-Regret fluchte, daß den Pflaſterſteinen hätten die Haare zu
Berge ſtehen ſollen.
„Still doch! rief Guébriant. „So horche doch nur!“
Gewehrſchüſſe knallten in der Ferne. Ordonnanzen jagten im vollen Laufe durch die Straßen.
Trommelwirbel donnerte an allen Ecken. Die Glocken wurden geläutet.
Die ganze Bevölkeruug ſtürzte halbnackend vor die Thüren. Die Soldaten, nach der Ortſete
der Stadt commandirt, liefen in Moſſen nach dem weſtlichen Thore. Es war klar, die Franzoſen
ſtürmten.
Guébriant und Sans-Regret erreichten ſehr bald, rückſichtslos durch das Getümmel ſpren-
gend, das Thor. Hier waren nur erſt geringe Streitkräfte vorhanden.
„En avant!“ rief der Marſchall. „Abgeſeſſen, Kamerad. Hier iſt der „Oncle“ nur noch ein
gemeiner Soldat.“
Die Franzoſen zogen die Schwerter und bahnten ſich; „Fivé le Roi!“ ſchreiend, einen Weg
durch die erſchrockenen Bayern, welche mit Entſetzen zu ſehen meinten, daß die franzöſiſchen Colonnen
Marſchall ſprengte das Schloß durch einen Piſtolenſchuß und kaum erhob ſich das Thor, ſo krochen
unaufhaltſam die Schweizer und die Musketiere von Orleannais durch die Oeffnung, bis gleich
darauf Helme und Federhüte, Hellebarden, Musketen ſich in dichten Maſſen in die Stadt drängten.
Die Bayern kamen heran; ein kurzes, aber entſcheidendes Gefecht begann. Die Franzoſen
warfen Alles vor ſich zurück und waren in einer Stunde vollkommene Meiſter der Stadt. Jetzt
erſt fing das immer mit größerer Beſtürzung vorgenommene Nachforſchen nach dem Feldherrn an,
den Jeder während des Kampfes irgend anderswo beſchäftigt geglaubt hatte. Er blieb abweſend.
Am andern Morgen, als die Leichen weggeräumt wurden, fand man den Marſchall Guébriant
ſammt ſeinem getreuen Sans-Regret dicht neben dem Thor liegen. Gusbriant war durch einen
Musketenſchuß und Sans Regret durch einen Hellebardenſtoß getödtet . .
Das Heer trauerte lange um ſeinen „Oncle“ Der Herzog von Enghien nahm, als der
Nächſte nach ihm, bis zur Ankunft Turenne's den Oberbefehl an, welcher an der Spitze ſeiner
Truppen die letzten Phaſen des Dreißigjährigen Kriegs bis zum baldigen Frieden von Münſter und
Osnaͤbrück geſtalten half.