126 Deutfchlands Kunſtſchätze.
Schenkeln trugen? Der alte Graf hatte unfehlbar die Abſicht, irgend einem hohen Gaſte, vielleicht
dem wolfenbüttler Herzoge ſelbſt, beſondere Ehrerbietung zu beweiſen.
Ein Lebehoch und Jauchzen, von der Schaar der am Auflauf gaſtirten Weiber und Kinder
angeſtimmt, verkündete eine ungewöhnliche Erſcheinung. Eine ſechsſpännige Kutſche mit herrlichen
Rappen beſpannt, kam im ſcharfen Trabe den ſteilen Weg hinauf. Ein Vorreiter mit langer
Peitſche machte, wo es ihm nöthig erſchien, mit wohl auf den Treffer geſetzten Hieben Platz für
die Prachtkutſche, auf deren Bocke neben dem Kutſcher ein Laufer mit Federbarret ſaß, während
hinten drei Diener auf dem Tritte ſtanden, Alle in Himmelblau mit Silber gekleidet.
Dieſer Beſuch auf Schloß Bentheim war jedenfalls ein unerwarteter. Die Kutſche hielt
längſt vor der Treppe des Herrenhauſes und Laufer und Bediente waren abgeſtiegen — noch
immer aber war Seitens des Schloßherrn Niemand zu erblicken, der den Empfang über-
nommen haͤtte.
Endlich erſchien ein junger Mann mit — hellblondem Haar und weibiſch zierlicher
Kleidung auf der Treppe, eine große Tabaksdoſe zwiſchen den Fingern drehend. Es war der Erb-
graf Otto Chriſtoph. Er winkte dem fremden Laufer — dieſer war mit einem einzigen Sprunge
oben auf der Plateform der Treppe und fegte mit dem Straußenbuſch an ſeiner Mütze den
Boden.
Kaum hatte der Laufer dem jungen, ſehr altklug ausſehenden Herrn einige Worte zugeflüſtert,
als das ganze unzugängliche Weſen deſſelben ſich urplötzlich veränderte. Der Jüngling flog die
Treppen hinab und ſtand am Kutſchenſchlage, aus welchem ſich ein alter dürrer Mann mit ſehr
feierlicher Miene hervorſchob.
„Euer Excellenz“, ſagte der Erbgraf ſich tief verbeugend, „ich weiß nicht, wie ich mich ent-
ſchuldigen ſoll ... Wir erwarteten Euer Excellenz nicht heute, ſondern morgen . . .“
„Ich weiß, ich weiß, Monſeigneur; heute wird hier der Herzog Rudolph Auguſt ankommen
Aber ich habe nicht die Gewohnheit anderen Leuten das Prävenire zu überlaſſen, wenn ich's
hindern kann. Vielleicht gewinne ich dem durchlauchtigen Herrn von Braunſchweig wenn nicht die
ganze Partie, ſo doch eine gute Anzahl ſchwerer Points ab. Wenn nur Ihr erlauchter Herr Vater
feſt zu mir hielt, dann werden wir auch die Braunſchweiger und Wolfenbüttler für unſere gute
und gerechte Sache gewinnen!“
„Mein Vater iſt wankend geworden“, — der junge Herr, „denn er fürchtet, daß wir hier
es ſein werden, welchen das Loos beſchieden iſt, der franzöſiſchen Armee einen Stützpunct für ihre
— gegen Weſer und Elbe zu bieten . . .“
„O, wir haben Holland, das unverſöhnliche, zur Hand“, meinte 7 Fremde, „und wir werden
es nie in unſerm Intereſſe finden, unſere Verbündeten zu ruiniren.
Der Erbherr meldete ſelbſt den Gaſt an und führte ihn in das große Empfangzimmer im
erſten Stockwerke, ein Gemach, das faſt den Anblick einer Gemäldegalerie darbot.
Der Graf Otto von Bentheim war etwa ſechzig Jahre alt; eine ſtattliche Geſtalt mit klugem,
freundlichen Geſichte. Er trug einen Leibrock von grünem Sammet und eine weißſeidene Weſte,
beide mit Golde ſchwer geſtickt.
Seine Excellenz, der Herr Graf von Verjus, Bevollmächtigter Seiner Majeſtät, des Königs
von Frankreich“, ſagte der Erbherr, den Graf verſichernd.
Schenkeln trugen? Der alte Graf hatte unfehlbar die Abſicht, irgend einem hohen Gaſte, vielleicht
dem wolfenbüttler Herzoge ſelbſt, beſondere Ehrerbietung zu beweiſen.
Ein Lebehoch und Jauchzen, von der Schaar der am Auflauf gaſtirten Weiber und Kinder
angeſtimmt, verkündete eine ungewöhnliche Erſcheinung. Eine ſechsſpännige Kutſche mit herrlichen
Rappen beſpannt, kam im ſcharfen Trabe den ſteilen Weg hinauf. Ein Vorreiter mit langer
Peitſche machte, wo es ihm nöthig erſchien, mit wohl auf den Treffer geſetzten Hieben Platz für
die Prachtkutſche, auf deren Bocke neben dem Kutſcher ein Laufer mit Federbarret ſaß, während
hinten drei Diener auf dem Tritte ſtanden, Alle in Himmelblau mit Silber gekleidet.
Dieſer Beſuch auf Schloß Bentheim war jedenfalls ein unerwarteter. Die Kutſche hielt
längſt vor der Treppe des Herrenhauſes und Laufer und Bediente waren abgeſtiegen — noch
immer aber war Seitens des Schloßherrn Niemand zu erblicken, der den Empfang über-
nommen haͤtte.
Endlich erſchien ein junger Mann mit — hellblondem Haar und weibiſch zierlicher
Kleidung auf der Treppe, eine große Tabaksdoſe zwiſchen den Fingern drehend. Es war der Erb-
graf Otto Chriſtoph. Er winkte dem fremden Laufer — dieſer war mit einem einzigen Sprunge
oben auf der Plateform der Treppe und fegte mit dem Straußenbuſch an ſeiner Mütze den
Boden.
Kaum hatte der Laufer dem jungen, ſehr altklug ausſehenden Herrn einige Worte zugeflüſtert,
als das ganze unzugängliche Weſen deſſelben ſich urplötzlich veränderte. Der Jüngling flog die
Treppen hinab und ſtand am Kutſchenſchlage, aus welchem ſich ein alter dürrer Mann mit ſehr
feierlicher Miene hervorſchob.
„Euer Excellenz“, ſagte der Erbgraf ſich tief verbeugend, „ich weiß nicht, wie ich mich ent-
ſchuldigen ſoll ... Wir erwarteten Euer Excellenz nicht heute, ſondern morgen . . .“
„Ich weiß, ich weiß, Monſeigneur; heute wird hier der Herzog Rudolph Auguſt ankommen
Aber ich habe nicht die Gewohnheit anderen Leuten das Prävenire zu überlaſſen, wenn ich's
hindern kann. Vielleicht gewinne ich dem durchlauchtigen Herrn von Braunſchweig wenn nicht die
ganze Partie, ſo doch eine gute Anzahl ſchwerer Points ab. Wenn nur Ihr erlauchter Herr Vater
feſt zu mir hielt, dann werden wir auch die Braunſchweiger und Wolfenbüttler für unſere gute
und gerechte Sache gewinnen!“
„Mein Vater iſt wankend geworden“, — der junge Herr, „denn er fürchtet, daß wir hier
es ſein werden, welchen das Loos beſchieden iſt, der franzöſiſchen Armee einen Stützpunct für ihre
— gegen Weſer und Elbe zu bieten . . .“
„O, wir haben Holland, das unverſöhnliche, zur Hand“, meinte 7 Fremde, „und wir werden
es nie in unſerm Intereſſe finden, unſere Verbündeten zu ruiniren.
Der Erbherr meldete ſelbſt den Gaſt an und führte ihn in das große Empfangzimmer im
erſten Stockwerke, ein Gemach, das faſt den Anblick einer Gemäldegalerie darbot.
Der Graf Otto von Bentheim war etwa ſechzig Jahre alt; eine ſtattliche Geſtalt mit klugem,
freundlichen Geſichte. Er trug einen Leibrock von grünem Sammet und eine weißſeidene Weſte,
beide mit Golde ſchwer geſtickt.
Seine Excellenz, der Herr Graf von Verjus, Bevollmächtigter Seiner Majeſtät, des Königs
von Frankreich“, ſagte der Erbherr, den Graf verſichernd.