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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Oth.]; Meyer, Bruno [Oth.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 1) — Leipzig: Verlag von A. H. Payne, 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.62315#0342
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28 Künfler - Ziographien.

So war der Künſtler etwa fünf Jahre ausgeblieben, „worauf er“, wie Zoachim von Sandrart
erzählt, „mit dick geſpicktem Beutel wieder nach Antorf geſegelt“ Er traf 1628 ein und ſah ſich
hier ſofort in einer Stellung, die ihm den erſten Platz neben dem großen Rubens anwies. Als die
Königin-Wittwe Maria von Medicis im Jahre 1631 in Antwerpen weilte und dort das ſtatt-
liche Heimweſen des Monſieur Rubens beſucht hatte, begab ſie ſich, wie der Siear de Ia Serre,
Hiſtoriograph von Frankreich, berichtet, auch in das Haus des Monſieur van Dyck, der eben ihr
Bildniß höchſt ähnlich gemalt hatte. Da ſah ſie das Tizianscabinet, einen Raum, der mit des
großen Venezianers Meiſterwerken in Copien geſchmückt war, und van Dyck's eigene Schöpfungen
brachten den Beſuchern die Ueberzeugung bei, er werde bald als der Tizian ſeines Jahrhunderts
geprieſen werden. Nicht nur Portraits, auch religiöſe Gemälde ſchuf er jetzt in großer Anzahl, die
Beſtellung glanzvoller Kirchenbilder gehörte zu den Zeugniſſen, welche der ſiegreiche Katholicismus
in Flandern für ſeine Herrſchaft ablegte. Allerdings den Feuergeiſt, die Vielſeitigkeit, den Erfin-
dungsreichthum und die Fülle dramatiſcher Kraft, wie ſie Rubens in ſich vereinigte, beſaß van Dyck
in ſolchen Schöpfungen nicht. Er malte zwar Gegenſtände dramatiſchen Gepräges, wie den Kreu-
zestod Chriſti in der Kathedrale zu Mecheln oder Simſon's Gefangennehmung im Belvedere zu
Wien, war hier völlig der Sache Herr, aber zeigte ſich doch ſichtlich durch ganz beſtimmte Eompo-
ſitionen ſeines Meiſters beeinflußt. Dagegen giebt es Gebiete, auf denen er völlig eigenthümlich
iſt und Vorzüge, die Rubens fremd ſind, entfaltet. Bei ruhigeren Situationen, in denen das Zarte,
Gefühlvolle vorherrſchen darf, iſt er in ſeinem Element, als eine Natur des Empfindens und des
Genießens. Einfachen Madonnenbildern mit anbetenden Heiligen oder Donatorengeſtalten, wie der
Jungfrau mit dem flandriſchen Ehepaar im Louvre oder den thronenden Marien mit der heiligen
Roſalie und mit dem ſeligen Prämonſtratenſer Hermann, im Wiener Belvedere, wie der Mutter mit
dem Jeſusknaben, zu dem die bußfertigen Sünder flehen, im Berliner Muſeum, haucht er ein anzie-
hendes Empfindungsleben ein. Mit Glück und Feinheit weiß er oft das Idylliſche zu geſtalten, ſo
bei der heiligen Familie in St. Petersburg, die dem Reigen munterer Engelknaben zuſchaut, oder
bei jenem Bilde in der Münchener Pinakothek, welches den Jeſusknaben, wie er ſchlafend am Mut-
terbuſen ruht und von Joſeph ſinnend betrachtet wird, in eine Landſchaft verſetzt, die zum Weilen
und Träumen einlädt. Und wie ſchon hier ein Zug feiner Melancholie hervortaucht, ſo weiß er
dann auch namentlich Schmerz und Leiden darzuſtellen, in der Einzelfigur des Heilands am Kreuz,
im Belvedere, die ſo wirkungsvoll vom Wolkenhintergrund hervorleuchtet, und namentlich in jenen
zahlreichen Darſtellungen der Beweinung Chriſto, wie ſie aus ſeinen verſchiedenſten Perioden vor-
handen ſind Das kleinere farbenglühende Bild in München, das große, keck gemalte, düſter
geſtimute in Berlin, das ſich auszeichnet durch das Pathos des Ausdrucks, endlich die zwei Meiſter-
werke der Antwerpener Galerie. Das eine, größere iſt vollendet in der Compoſition, der Leichnam
könnte nicht ſchöner daliegen, Magdalena und Johannes in Thränen, aber die Mutter Chriſti ſteht
aufrecht, ſie blickt zum Himmel mit gerötheten Augen und ihre Handbewegung ſcheint zu ſagen:
Vater, Du haſt es gewollt! Das zweite Gemälde verkörpert keine ſolche Erhabenheit im Schmerz,
aber es iſt tiefer und erſchütternder in der Empfindung. Ein wunderbarer Gegenſatz zwiſchen der
leidenſchaftlichen Verzweiflung Marias, in deren Schoß das Haupt des Sohnes ruht, und dem
milden aber innigen Schmerz der ſchönen Engel und des Johannes, der zu ihnen gewendet auf den
Todten zeigt. In allen ſolchen Werken iſt der Künſtler in der Zeichnung correcter als Rubens
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