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E. v. Biilow: das Novellenbuch.

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Die mitgetheilte Novelle, die der Verfasserin wohl eben deshalb
besser als ihre übrigen gelang, weil sie Charaktere und Begeben-
heiten nach dem Leben schilderte, sagt davon selbst, dafs ihre
eigene diplomatische Anwesenheit in Antwerpen mit der ihres
Helden zusammengetroffen sey.
Verderbnifs aus Entehrung (II, 548), die Geschichte
eines unglücklichen zur Entehrung gezwungenen Weibes, ist aus
einer englischen Chronique scandaleuse, welche zu London 1716
unter dem Titel erschien: The court of Venus or Cupid restoved
to sight, being a history of Cuckolis and cuckoldsnakers etc. von
Capt. Alexander Smith.
Von deutschen Erzählungen aus dem Mittelalter erhalten
wir nichts, wiewohl aus den Prosaromanen des fünfzehnten Jahr-
hunderts Manches sich hätte aufführen lassen. Namentlich hätten
wir z. B. die Sage von Amicus und Amelius gerne in dieser Samm-
lung gesehen, welche aus dem deutschen Volksbuch von den sieben
Meistern — namentlich nach der Behandlung der Stuttgarter Hand-
schrift; man vergl. Sept sages S. nxxxiv. gcxliii — fast unverän-
dert hätte mitgetheilt werden können. Indefs sind die gewählten
Erzählungen zur Cbarakterisirung der jeweiligen Culturzustände
Deutschlands von der Reformationsperiode an sehr gut gewählt.
Aus der unter dem Titel Wendunmuth bekannten Historien-
sammlung von Hans Wilhelm Kirchhof (zuerst i58i ge-
gruckt) steht I, 47^ die Geschichte der vier Ketzermönche
in Bern, welche einen einfältigen Schneiderknecht durch trüg-
liche Erscheinungen von heiligen Personen und an ihm verrichtete
Wunder zur Unterstützung ihrer theologischen Streitigkeiten über
die beileckte Empfängnifs der Maria, das Ansehen des Prediger-
ordens u. s. f. benutzen wollen, aber am Ende entlarvt und ver-
brannt werden.
Von Samuel Greiffenson aus Hirschfeld (gest. 1668), dem
Verfasser des Simplicissimus, steht II, 55q die Geschichte Der
erste Bärenhäuter. Dies ist ein Landsknecht, der von einem
Geiste das Versprechen des gröfsten Reichthums erhält, wenn er
ihm sieben Jahre in ein Bärenfell gehüllt und ohne irgend eine
Reinigung des Körpers diene. Er thut es und schliefst am Ende
eine erwünschte Ehe. Auch in neuerer Zeit wurde diese Sage
mit ihren artigen Episoden wieder behandelt. So von Arnim in
einer Novelle, von Justinus Kerner dramatisch: »Der Bärenhäuter
im Salzbad«. — Der stolze Melcher (III, 60), von demsel-
ben Verfasser, spielt im Jahr 1683, wo Melcher, der Sohn eines
Dorfschulzen am Oberrhein, der seinen Eltern entlaufen war, um
unter dem König von Frankreich gegen Holland zu dienen, arm,
krank und reuevoll ins Vaterhaus zurückkehrt. — Über den pseu-
donymen Verfasser der beiden Novellen finden sich beachtens-
werthe Untersuchungen in der Zeitschrift »Spiegel« (1837, Ja“
nuar) aus Veranlassung der von Herrn v. Bülow herausgegebe-
nen neuen Bearbeitung des Simplicissimus.
Aus der ersten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts erhalten
 
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