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Ε. ΛΓ. Biilow : das Novellcnbuch.
wir zwei Erzählungen aus der sogenannten Insel Felsenburg von
Joh. Friedr. Schnabel (Gisander): II, 66: Der deutsche
Hans; III, 257: Schmelzers Prüfungen — die Abenteuer
eines weltlichen und die eines geistlichen deutschen Jünglings.
Hans ist der Sohn eines Dorfmusicanten, und will auch erst sich
zu einem solchen heranbilden, ergreift aber auf Zureden seines
für sein Seelenheil besorgten Pfarrers das Tischlerhandwerk, zieht
in die Welt, und langt nach mancherlei Begegnissen, in denen er
sich stets heiter, besonnen und bieder zeigt, auf der Insel Felsen-
burg an. Schmelzer ist der Sohn eines Landpredigers, wird von
den Jesuiten gequält und soll seinen lutherischen Glauben ab-
schwören, wird aber von ihnen befreit, studirt Theologie, und
erhält endlich einen Ruf als Prediger auf die berühmte Insel,
nachdem er die ganze Misere der Lage eines Pfarrgehülfen fröh-
lich und getrost durchgemacht hat.
Aus der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts ist Die Spinn-
stube (IV, /p) aus dem ersten Theil der patriotischen Phanta-
sieen von Justus Möser (1720 — 1794) wörtlich abgedrucht,
eine anmuthige bürgerliche Familiengeschichte, welche für die
Zeit, in der sie entstanden, höchst charahteristisch ist, und welche
wie die übrigen angeführten deutschen Novellen , wie der Heraus-
geber richtig bemerkt, beispielsweise darthun kann, warum frü-
herhin keine eigentliche Novellistik bei uns aufkommen konnte.
Die späteste deutsche Novelle unserer Sammlung, aus dem
Ende des verflossenen Jahrhunderts, ist den »Komischen Erzäh-
lungen im Geschmack deis Boccaz« (Halle 1788 ff. 6 Bände) von
Ursi... entnommen. II, 3o6 : Die alte Thörin, die Geschichte
einer alten Kokette, die ihre Tochter ins Kloster sperrt, um keine
Enkel zu bekommen, und um so länger selbst ihre lächerlichen
Galanterien forttreiben zu-können, die aber nachgiebt, als man
ihr droht, ihr Alter zu veröffentlichen.
Wir hoffen durch das Bisherige dargelegt zu haben, wie
reich das Novellenbuch des Hin. v.Bülow an trefflichen Stücken
ist, und wie nur wenig zu wünschen übrig bliebe, um auch dem
Gelehrten eine vollständige Mustersammlung für die ganze euro-
päische Novellenliteratur zu werden. Die Ausführung im Einzel-
nen zeugt nicht allein von genauer Kenntnifs der betreffenden
fremden , sondern auch von freithätiger Handhabung und meister-
hafter Gewandtheit in der Muttersprache. Einzelne Unebenheiten
im Ausdrucke, einzelne zu gewagte Wortbildungen, die vielleicht
zum Theil den schon angegebenen vielen Druckfehlern des Buchs
noch beizuzählen sind, wollen wir nicht rügen. Neben so viel
Trefflichem wäre es unbillig, um Kleines zu mäckeln. Und so
scheiden wir denn mit aufrichtigem Danke für vielfältige Er-
quickung und Belehrung von dem Buche.
Br. Keller in Tübingen.
Ε. ΛΓ. Biilow : das Novellcnbuch.
wir zwei Erzählungen aus der sogenannten Insel Felsenburg von
Joh. Friedr. Schnabel (Gisander): II, 66: Der deutsche
Hans; III, 257: Schmelzers Prüfungen — die Abenteuer
eines weltlichen und die eines geistlichen deutschen Jünglings.
Hans ist der Sohn eines Dorfmusicanten, und will auch erst sich
zu einem solchen heranbilden, ergreift aber auf Zureden seines
für sein Seelenheil besorgten Pfarrers das Tischlerhandwerk, zieht
in die Welt, und langt nach mancherlei Begegnissen, in denen er
sich stets heiter, besonnen und bieder zeigt, auf der Insel Felsen-
burg an. Schmelzer ist der Sohn eines Landpredigers, wird von
den Jesuiten gequält und soll seinen lutherischen Glauben ab-
schwören, wird aber von ihnen befreit, studirt Theologie, und
erhält endlich einen Ruf als Prediger auf die berühmte Insel,
nachdem er die ganze Misere der Lage eines Pfarrgehülfen fröh-
lich und getrost durchgemacht hat.
Aus der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts ist Die Spinn-
stube (IV, /p) aus dem ersten Theil der patriotischen Phanta-
sieen von Justus Möser (1720 — 1794) wörtlich abgedrucht,
eine anmuthige bürgerliche Familiengeschichte, welche für die
Zeit, in der sie entstanden, höchst charahteristisch ist, und welche
wie die übrigen angeführten deutschen Novellen , wie der Heraus-
geber richtig bemerkt, beispielsweise darthun kann, warum frü-
herhin keine eigentliche Novellistik bei uns aufkommen konnte.
Die späteste deutsche Novelle unserer Sammlung, aus dem
Ende des verflossenen Jahrhunderts, ist den »Komischen Erzäh-
lungen im Geschmack deis Boccaz« (Halle 1788 ff. 6 Bände) von
Ursi... entnommen. II, 3o6 : Die alte Thörin, die Geschichte
einer alten Kokette, die ihre Tochter ins Kloster sperrt, um keine
Enkel zu bekommen, und um so länger selbst ihre lächerlichen
Galanterien forttreiben zu-können, die aber nachgiebt, als man
ihr droht, ihr Alter zu veröffentlichen.
Wir hoffen durch das Bisherige dargelegt zu haben, wie
reich das Novellenbuch des Hin. v.Bülow an trefflichen Stücken
ist, und wie nur wenig zu wünschen übrig bliebe, um auch dem
Gelehrten eine vollständige Mustersammlung für die ganze euro-
päische Novellenliteratur zu werden. Die Ausführung im Einzel-
nen zeugt nicht allein von genauer Kenntnifs der betreffenden
fremden , sondern auch von freithätiger Handhabung und meister-
hafter Gewandtheit in der Muttersprache. Einzelne Unebenheiten
im Ausdrucke, einzelne zu gewagte Wortbildungen, die vielleicht
zum Theil den schon angegebenen vielen Druckfehlern des Buchs
noch beizuzählen sind, wollen wir nicht rügen. Neben so viel
Trefflichem wäre es unbillig, um Kleines zu mäckeln. Und so
scheiden wir denn mit aufrichtigem Danke für vielfältige Er-
quickung und Belehrung von dem Buche.
Br. Keller in Tübingen.