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164 Straus«; Leben Jesu, u, Ammon: Fortbildung d. Christenthums.

formel. Nach Calvin1« Ableben milderten sich glücklicher Weise
bei den Reformirten. sehr bald seine mit dem wahren Sinne des
Christenthums so unverträglichen Lehren von der Prädestination,
der Unmöglichkeit der guten Werke wegen der Erbsünde, der
Gnade und der Rechtfertigung durch den Glauben. Sein strenger
und zu grosser Härte sich neigender Charakter entblösste den1
Gottesdienst von aller äusserlichen Feierlichkeit, von allem Mit-
wirken der edleren Kunst, welche so wohlthätig zum Erheben der
Andacht und zum Festhalten der religiösen Anregung beitragen.
Dieses war ein grosser Missgriff. Der Verstand soll zwar obenan
stehen, allein der Mensch ist eben so wesentlich empfindend als
vernünftig; werden die Empfindungen und die mit ihr verwandte
Einbildungskraft' zum Erstarren gebracht, so ist Gleichgültigkeit
in religiöser Hinsicht, wie in jeder andern, die natürliche Folge.
Auf ganz verschiedenem Wege und in ebenso verschiedener
Weise ist ein ähnliches Resultat mit noch tiefer eingreifenden
Folgen, durch die so zweckwidrige Anwendung der neuern-kriti-
schen Philosophie auf das Christenthum hervorgebracht worden,
zwar in der Absicht, die Dogmen desselben wissenschaftlich zu
begründen. Die Wahrheit ist jedoch, dass es seine wirkliche Be-
gründung verliert und in leere logische Begriffe zergeht.
Eine positive Religion kann nicht ohne einen historischen Mittler
gedacht werden. Das Geschichtliche ist der Beweis derBefugniss des
Lehrers und der Wahrheit der Lehre. Das kritisch-christliche System
betrachtet aber die Person Christi und die ganze Christologie als my-
thisch. Das griechische Wort (Mythos) hat zwar auch die Be-
deutung von Sage, Erzählung, allein weit mehr von Fabel, Mährchen
und das abgeleitete {ivSixos, (Mythikos) mythisch, ist mit fabelhaft
vollkommen gleichlautend. In d-er deutschen Sprache werden sie immer
so verstanden, und wen» sie vom Lehrstuhle kommen, so ist der Eindruck
auf die Zuhörer, und auf das Publikum leicht zu beurtheilen. An und für
sich sind diese Ausdrücke unschicklich gewählt, um so vielmehr, da
in der älteren Zeit die historische Realität Christi nie bezweifelt
worden ist. Celsus, den* ungefähr um die Hälfte des zweiten Jahrhun-
derts schrieb, hat Alles zusammengetragen, was gegen die Chri-
sten vorgebracht worden war. Sein Manuscript ist zwar nicht auf
uns gekommen, allein der Inhalt ist aus der sehr ausführlichen
Widerlegung des Origenes vollkommen bekannt. Celsus spottet
auf eine sehr schimpfliche Weise über die Familienverhältnisse
Christi, seine historische Existenz lässt er aber unangetastet. Sie
war also von Keinem in Zweifel gezogen worden, denn mit ihr
 
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