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Strauss: Leben Jesu, u. Ammon: Fortbildung d. Christenthums. IfiS
wären ja die Lehre und ihre Anhänger zugleich gefallen. Wenn
inan Rücksicht darauf nimmt, wie die verschiedenen Bücher des
Canons entstanden sind, so begreift man vollkommen^ dass sich
einzelne Theile und Stellen der Schrift bestreiten lassen, allein in
ihrer Ganzheit ist sie ein unleugbar geschichtliches Document, und
die Hauptbegebenheiten sind ebenfalls vollkommen historisch.
Dass in spätem Zeiten Feinde des Katholicismus mehr als
des Christenthums auf das Leugnen der geschichtlichen Wirklich-
keit Christi verfallen sind, ist nicht zu verwundern. Partheiiei-
deaschaften benehmen die Fähigkeit zu wahrhafter Untersuchung;
sonderbar ist es aber, dass diese Behauptung philosophisch ver-
schleiert in einem Theile der protestantischen Kirche Anhang fin-
den konnte, so dass ein wesentlicher Missstand daraus entsprin-
gen musste. In der Schlussabhandlung des Lebens Jesu heisst es
ausdrücklich: der Gemeinde gelten die evangelischen Erzählungen
als Geschichte, dem kritischen Theologen als Mythe.
Das auf diese "Weise entstandene neue Lehrsystem ist eine
Schelling-Hegel’sche Entwicklungsbewegung den Absoluten. Die
Einbildung des Unendlich-Absolut-Identischen in das Endliche, so
dass es stets in seiner unendlichen Identität bebarrt und doch in
jedem endlichen Dinge enthalten ist, die Rückbildung des Endli-
chen in das Unendliche, die alleinige Wahrheit des Allgemeinea
und die Unwahrheit alles Endlichen sind die leitenden Begriffe;
das Produkt ihrer Anwendung ist kürzlich Folgendes.
Das Wesen des Geistes ist in der Unterscheidung seiner von
sich identisch zu bleiben und im Andern sich selbst zu haben.
Wird Gott als Geist ausgesprochen, so liegt darin, da auch der
Mensch Geist ist, dass beide an sich nicht verschieden sind.
Als endlicher Geist hat der Mensch keine Wahrheit; als unendli-
cher Geist hat Gott keine Wirklichkeit, er hat sie nur, in sofern
er zu endlichen Geistern sich erschliesst, und der endliche Geist
hat nur Wahrheit, indem er sich in das Unendliche vertieft. Das
wahre und wirkliche Daseyn des Menschen ist also der Gott-
mensch ; die Bewegung des sich Hingebens und Zurücknehmens
zwischen seiner Endlichkeit und seiner Unendlichkeit, ist von gött-
licher Seite Offenbarung, von menschlicher Seite Religion.
Da Gott und Mensch an sich eins sind [nehmlich als Geist],
so muss, sobald die Menschheit dazu reif ist, die Wahrheit zu
erkennen und als Religion anzunehmen, dass Gott Mensch, und
der Mensch göttlichen Geschlechts ist, in der Erscheinung ein
Mensch auftreten, als der gegenwärtige Gott, uud es kann von
 
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