172 Strauss: Leben Jesu, u, Ammon. Fortbildung d. Christenthums,
es klüger geworden sey als seine Lehrer und Priester, darf man
ihm nicht gestatten. Lässt man es dahin kommen, so muss man
sich nicht wundern, wenn das Ungewitter ausbricht.
Die Trennung der Wissenschaft und der Schule von dem
Glauben und der Kirche, ist bei dem in der sittlichen Natur des
Menschen gegründeten Primat, der religiösen Ideen, in speculati-
ven und empirischen Forschungen nie räthiicb, und bei denselben
muss das Bekenntniss frommer und weiser Männer fest in das
Auge gefasst werden. Allein den irre machen zu wollen,
der seinen Katechism, papiernes Particular-System, oder my-
stischen Hohlspiegel lieber hat, wird dem ächten Forscher nie
in den Sinn kommen, denn die Menge bedarf nun einmal ei-
ner Brille. Wenn aber, wie diese sagen, die Lehren des
Christenthums als unveränderliche Wahrheiten geoffenbart sind,
so hat es Gott mit der höchsten Klarheit gethan, und es muss
dieses Ganze in den zahlreichen Urkunden der Juden und Chri-
sten unverletzt zu finden seyn. Alsdann hat jedoch die christliche
Kirche sehr unweise gehandelt, das göttliche Werk den Schulen
und Concilien zu überlassen, und müsste jetzt nur darauf bedacht
seyn, diese himmlischen Goldstufen aus den verschütteten Berg-
werken der alten Ueberliefernng wieder hervorzuzieben und alles
entgegengesetzte Forschen zu hindern. Die provisorische Anle-
gung einer neuen Eisenbahn des Glaubens nach brittischem Me-
thodism, würde sich damit zeiigemäss verbinden.
Ist das Christenthum hingegen seinem innern Wesen nach
zwar unveränderlich, aber nach aussenhin einer fortschreitenden
Entwicklung fähig, und auf dem Culminationspunkte von Gott zur
Weltreligion bestimmt, so ist diese die Bahn des Lichtes zum er-
sehnten Ziele zu gelangen. In diese Zukunft hineinzusehen, ge-
währt dem Verfasser eine überschwengliche Freude, und wer
diese mit ihm nicht theilen will oder kann, wird wohlthun, wenn
er von seinen Ansichten keiue Kenntaiss nimmt.
Mit diesem Käthe an den mit ihm nicht gleichgesinnten Theil
seiner Leser oder vielmehr des Publikums, das er als Volk, Laien,
Katechism und papierne System-Männer etc. bei mehreren Gele-
genheiten sehr überdrehend behandelt, welches sich nie geziemt,
schliesst der Hr. von Ammon sein Werk.
Die dogmatischen Erörterungen sind sehr schwankend, und die
angeführten Steilen aus der Schrift öfters gar wenig erweisend*
Er bemerkt zum Beispiel (1. Band S. 194—220) den Widerspruch
zwischen den beiden Stammtafeln Christi und den beiden Erzäh-
es klüger geworden sey als seine Lehrer und Priester, darf man
ihm nicht gestatten. Lässt man es dahin kommen, so muss man
sich nicht wundern, wenn das Ungewitter ausbricht.
Die Trennung der Wissenschaft und der Schule von dem
Glauben und der Kirche, ist bei dem in der sittlichen Natur des
Menschen gegründeten Primat, der religiösen Ideen, in speculati-
ven und empirischen Forschungen nie räthiicb, und bei denselben
muss das Bekenntniss frommer und weiser Männer fest in das
Auge gefasst werden. Allein den irre machen zu wollen,
der seinen Katechism, papiernes Particular-System, oder my-
stischen Hohlspiegel lieber hat, wird dem ächten Forscher nie
in den Sinn kommen, denn die Menge bedarf nun einmal ei-
ner Brille. Wenn aber, wie diese sagen, die Lehren des
Christenthums als unveränderliche Wahrheiten geoffenbart sind,
so hat es Gott mit der höchsten Klarheit gethan, und es muss
dieses Ganze in den zahlreichen Urkunden der Juden und Chri-
sten unverletzt zu finden seyn. Alsdann hat jedoch die christliche
Kirche sehr unweise gehandelt, das göttliche Werk den Schulen
und Concilien zu überlassen, und müsste jetzt nur darauf bedacht
seyn, diese himmlischen Goldstufen aus den verschütteten Berg-
werken der alten Ueberliefernng wieder hervorzuzieben und alles
entgegengesetzte Forschen zu hindern. Die provisorische Anle-
gung einer neuen Eisenbahn des Glaubens nach brittischem Me-
thodism, würde sich damit zeiigemäss verbinden.
Ist das Christenthum hingegen seinem innern Wesen nach
zwar unveränderlich, aber nach aussenhin einer fortschreitenden
Entwicklung fähig, und auf dem Culminationspunkte von Gott zur
Weltreligion bestimmt, so ist diese die Bahn des Lichtes zum er-
sehnten Ziele zu gelangen. In diese Zukunft hineinzusehen, ge-
währt dem Verfasser eine überschwengliche Freude, und wer
diese mit ihm nicht theilen will oder kann, wird wohlthun, wenn
er von seinen Ansichten keiue Kenntaiss nimmt.
Mit diesem Käthe an den mit ihm nicht gleichgesinnten Theil
seiner Leser oder vielmehr des Publikums, das er als Volk, Laien,
Katechism und papierne System-Männer etc. bei mehreren Gele-
genheiten sehr überdrehend behandelt, welches sich nie geziemt,
schliesst der Hr. von Ammon sein Werk.
Die dogmatischen Erörterungen sind sehr schwankend, und die
angeführten Steilen aus der Schrift öfters gar wenig erweisend*
Er bemerkt zum Beispiel (1. Band S. 194—220) den Widerspruch
zwischen den beiden Stammtafeln Christi und den beiden Erzäh-