Nr. 38.
HEIDELBERGER
1844
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.
Lasaulx: Prometheussage.
C Schluss.)
Nachdem auf diese Weise der ganze Mythus in allen seinen
Verzweigungen dargestellt worden, wird man allerdings um so
verlangender sevn, zu erfahren, was der Vrf. über Sinn und Be-
deutung des ganzen Mythus nach den drei Hauptformen, in denen
er im Altcrthum vorkommt, aufgestellt bat, als das Schlussergeb-
niss der vorausgegangenen Untersuchung und als Endresultat des
Ganzen. Wie in der Hesiodeischen Mythe Prometheus als der Ur-
mensch erscheint, darum auch der zweite Stammvater des Men-
schengeschlechts, Deukalion, und ebenso Hellen, der Vater des
Hellenischen Volkes, als seine Söhne vorgestellt werden, ist bereits
bemerkt worden; in dem Opferbetrug, in dem Feuerdiebstahl, in
den Banden, in welche deshalb Prometheus geschlagen wird, bis
Herakles ihn erlöst, findet der Verf. nichts Andres als den Sün/-
denfall und die nachfolgenden Schicksale der Menschheit selber
bildlich ausgesprochen : gilt ihm doch insbesondere der Feuerdieb-
stahl nur für ein sinnliches Bild der gestohlenen Erkenntniss des
Guten und Bösen, die Befreiung des Prometheus durch Herakles
glaubt auch er mit der Erlösung der Menschheit durch Christus
vergleichen zu können. Allerdings liegt auch nach unsrer Ansicht
darin Etwas Analoges; nur möchten wir bei der grossen und to-
talen Verschiedenheit des christlichen und des heidnischen Elements
dieses nur ganz allgemein fassen und keineswrgs weiter ausdehnen,
so dass wir z. B. bei der mystischen Sübnkrone aus Weiden oder
Oelzweigen, welche Prometheus trägt, bei der Säule, an die er
bei Hesiodus angebunden ist, auffallend (?) an Aebnliches in der
Leidensgeschichte Christi erinnert werden sollten u. dgl. Dass bei
Aeschylus, dessen Darstellung in den Hauptzügen mit Hesiodus
zusammentrifft, auch die Bedeutung im Ganzen dieselbe ist, kann
nicht befremden. Was aber die oben erwähnte dritte Hauptform
XXkVH. Jahrg. <i. Doppelheft. 58
HEIDELBERGER
1844
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.
Lasaulx: Prometheussage.
C Schluss.)
Nachdem auf diese Weise der ganze Mythus in allen seinen
Verzweigungen dargestellt worden, wird man allerdings um so
verlangender sevn, zu erfahren, was der Vrf. über Sinn und Be-
deutung des ganzen Mythus nach den drei Hauptformen, in denen
er im Altcrthum vorkommt, aufgestellt bat, als das Schlussergeb-
niss der vorausgegangenen Untersuchung und als Endresultat des
Ganzen. Wie in der Hesiodeischen Mythe Prometheus als der Ur-
mensch erscheint, darum auch der zweite Stammvater des Men-
schengeschlechts, Deukalion, und ebenso Hellen, der Vater des
Hellenischen Volkes, als seine Söhne vorgestellt werden, ist bereits
bemerkt worden; in dem Opferbetrug, in dem Feuerdiebstahl, in
den Banden, in welche deshalb Prometheus geschlagen wird, bis
Herakles ihn erlöst, findet der Verf. nichts Andres als den Sün/-
denfall und die nachfolgenden Schicksale der Menschheit selber
bildlich ausgesprochen : gilt ihm doch insbesondere der Feuerdieb-
stahl nur für ein sinnliches Bild der gestohlenen Erkenntniss des
Guten und Bösen, die Befreiung des Prometheus durch Herakles
glaubt auch er mit der Erlösung der Menschheit durch Christus
vergleichen zu können. Allerdings liegt auch nach unsrer Ansicht
darin Etwas Analoges; nur möchten wir bei der grossen und to-
talen Verschiedenheit des christlichen und des heidnischen Elements
dieses nur ganz allgemein fassen und keineswrgs weiter ausdehnen,
so dass wir z. B. bei der mystischen Sübnkrone aus Weiden oder
Oelzweigen, welche Prometheus trägt, bei der Säule, an die er
bei Hesiodus angebunden ist, auffallend (?) an Aebnliches in der
Leidensgeschichte Christi erinnert werden sollten u. dgl. Dass bei
Aeschylus, dessen Darstellung in den Hauptzügen mit Hesiodus
zusammentrifft, auch die Bedeutung im Ganzen dieselbe ist, kann
nicht befremden. Was aber die oben erwähnte dritte Hauptform
XXkVH. Jahrg. <i. Doppelheft. 58