DOI Heft:
Nr. 44
DOI Seite / Zitierlink:https://doi.org/10.11588/diglit.43430#0217
Nr. 44. HEIDELBERGER 1846.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.
Spiess s Physiologie des IVervensytems.
(Schluss.)
Noch weitläufiger behandelt der Verf. die Lehre von der Ent-
zündung. Er zeigt das Gezwungene, Hypothetische und der Erfahrung
Widersprechende in den Entzündungstheorien von Henle, Stillingund
Vogel, von denen die beiden Ersten der Natur widerstrebende Phäno-
mene angenommen, statt die vorhandenen zu deuten, der Letztere aber,
obgleich Anhänger der neuen physiologischen Schule mit seiner Attrak-
tionstheorie einem mystischen Vitalismus huldige. Viel natürlicher, ob-
wohl auch nicht in allen Punkten übereinstimmend, findet der Verf. Ei-
se nm an n’s Theorie, welche er nun zu berichtigen strebt. Für primäre,
wenn auch rasch vorübergehende Contraktion der Haargefässe spreche
gegen Henle die vermehrte Thätigkeit erregende . Wirkung aller Reize,
mechanischer wie chemischer, welche, örtlich auf gefässreiche Theile an-
gewendet, Entzündung bewirken. Das Wesentlichste bei der Entzündung
sei die chemische Veränderung des Blutes, welche nicht, wie Henle
mechanisch erklärt, durch die Stockung bedingt werde, sondern, wie Ei-
se n m a n n richtig ahnte, durch chemisch verändernde Einwirkung der
Gefässnerven auf das Blut, da man ja mittels Durchschneidung aller Ner-
ven das Entstehen von Entzündung und Eiterung hemmen könne. Der
Umstand, dass die verschiedensten Ursachen in gleicher Weise Entzündung
erregen, zeugte dafür, dass eine bestimmte Veränderung der Nerventhä-
tigkeit das Hauptagens hiebei ist. Aber es ist weder die Annahme einer
antagonistischen Thätigkeit zwischen den sensiblen Cerebrospinalfasern und
den Gefässnerven (Tlenle}, noch eine reflektirende Thätigkeit zwischen
denselben ζβ t i 11 i n g} , noch auch eine reflektirende Wirkung zwischen
perceptorischen und motorischen Gefässnerven, wie dies E i s e n m a η n für
einige Entzündungsarten aufgestellt hat, nöthig, sondern aus der durch
reizende Einwirkung intensiv gesteigerten Thätigkeit der Gefässnerven er-
kläre sich die primäre Gefässverengernng und die durch den örtlich ge-
steigerten chemisch - organischen Process bewirkte Blutzersetzung. Aus
den Entzündungsvorgängen zieht der Verf. folgende Schlussfolgerungen:
XXXIX. Jahrg. 5. Doppelheft. 44
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.
Spiess s Physiologie des IVervensytems.
(Schluss.)
Noch weitläufiger behandelt der Verf. die Lehre von der Ent-
zündung. Er zeigt das Gezwungene, Hypothetische und der Erfahrung
Widersprechende in den Entzündungstheorien von Henle, Stillingund
Vogel, von denen die beiden Ersten der Natur widerstrebende Phäno-
mene angenommen, statt die vorhandenen zu deuten, der Letztere aber,
obgleich Anhänger der neuen physiologischen Schule mit seiner Attrak-
tionstheorie einem mystischen Vitalismus huldige. Viel natürlicher, ob-
wohl auch nicht in allen Punkten übereinstimmend, findet der Verf. Ei-
se nm an n’s Theorie, welche er nun zu berichtigen strebt. Für primäre,
wenn auch rasch vorübergehende Contraktion der Haargefässe spreche
gegen Henle die vermehrte Thätigkeit erregende . Wirkung aller Reize,
mechanischer wie chemischer, welche, örtlich auf gefässreiche Theile an-
gewendet, Entzündung bewirken. Das Wesentlichste bei der Entzündung
sei die chemische Veränderung des Blutes, welche nicht, wie Henle
mechanisch erklärt, durch die Stockung bedingt werde, sondern, wie Ei-
se n m a n n richtig ahnte, durch chemisch verändernde Einwirkung der
Gefässnerven auf das Blut, da man ja mittels Durchschneidung aller Ner-
ven das Entstehen von Entzündung und Eiterung hemmen könne. Der
Umstand, dass die verschiedensten Ursachen in gleicher Weise Entzündung
erregen, zeugte dafür, dass eine bestimmte Veränderung der Nerventhä-
tigkeit das Hauptagens hiebei ist. Aber es ist weder die Annahme einer
antagonistischen Thätigkeit zwischen den sensiblen Cerebrospinalfasern und
den Gefässnerven (Tlenle}, noch eine reflektirende Thätigkeit zwischen
denselben ζβ t i 11 i n g} , noch auch eine reflektirende Wirkung zwischen
perceptorischen und motorischen Gefässnerven, wie dies E i s e n m a η n für
einige Entzündungsarten aufgestellt hat, nöthig, sondern aus der durch
reizende Einwirkung intensiv gesteigerten Thätigkeit der Gefässnerven er-
kläre sich die primäre Gefässverengernng und die durch den örtlich ge-
steigerten chemisch - organischen Process bewirkte Blutzersetzung. Aus
den Entzündungsvorgängen zieht der Verf. folgende Schlussfolgerungen:
XXXIX. Jahrg. 5. Doppelheft. 44