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Koch: Reise in Tirol.

dass alle Zeitungen sogar erst nach Inspruck gesendet werden müssen,
um gestempelt zu werden. Dann folgen Notizen über Botzen und Greif-
fenstein, bei welcher Gelegenheit der Verf. S. 26 von den 1845 aus-
gewanderten Argauer Benedictinern von Muri, denen man die Abtei Gries
eingeräumt hat, Nachricht gibt. Von den Bewohnern Bötzens ^7620}
erhalten wir eine nicht gerade vorteilhafte Schilderung. Obgleich sie
nicht sehr reich sind, sondern höchstens bemittelt, sind sie dennoch geld-
stolz. Weiter heisst es:
Der Botzener frühstückt, hält einen Vormittagsschmaus, speist mit
beneidenswertem Appetit zu Mittag, hält eine reichliche „Mcrenda“,
lässt sichs Abends im Gasthause sehr wohl schmecken und ist an der
Abendtafel seiner Familie um Esslust nicht verlegen. Der Botzener ist
auch kein Wassertrinker — — — Wohlbeleibtheit ist daher ziemlich
ein äusseres Kennzeichen, wie Gutmütigkeit eine unverkennbare Gemüths-
anlage desselben. Höflichkeit wird ihm aber, besonders in Rücksicht
auf Fremde, selbst von Einheimischen nicht nachgerühmt. B otz ne ri-
sch e Grobheit als Sprichwort ist in Botzen selbst zu Hause und der
Wespenstich des eigenen Verkehrs. Der Verf. führt nachher im Einzel-
nen durch, wie in Botzen durchaus an keinen geistigen Verkehr, keinen
Ideenwechsel zu denken sey. Es sey dort eine essende, trinkende, tan-
zende, Karten spielende vornehme Gesellschaft, aber keine eigentliche
Conversation zu finden, er schliesst mit den Worten:
Warum verbreitet sich der Verf. mit so vieler Ausführlichkeit über
die Zustände der kleinen Stadt Botzen? wird vielleicht mancher Leser
dieses Buchs fragen. Weil, antwortet der Verf., dieses kleine Botzen
die letzte deutsche Stadt an der Pforte nach Italien ist, wo es darauf
ankommt, deutsche Gesinnung und Cultur neben der unverkennbar vor-
schreitenden Ausbreitung des italienischen Elements der Nachbarschaft auf-
recht zu halten. Im angränzenden Wälschtirol ist für jenes ein geistiges
Streben erwacht, das für den deutschen Süden Tirols, wenn er seiner
Aufgabe sich nicht bewusst wird, im Laufe derZeit und im unsichtbaren
Walten geistiger Machtverbreitung Gefahr bringend ausschlagen kann.
Dem Vaterlandsfreunde erscheint es daher als wünschenswerth und noth-
wendig, in der deutschen Gränzstadt Botzen, mittelst Betätigung des
geistigen Lebens, zugleich deutschen Sinn zu beleben. Auf S. 59—63
hat der Verf., der ein sehr guter Katholik ist, sehr vernünftig von dem
unvernünftigen und gewissenlosen Spuck mit der unglücklichen Maria von
Mörl zu Kaltem gehandelt und hinreichend bewiesen, dass die sonst so
ängstliche baierische Censur ganz gewissenlos verfuhr, als sie den Augs-
 
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