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Koch: Reise in Tirol.

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burger Obscuranten erlaubte, die einfältigen, gläubigen Seelen durch die
Uebersetzung eines ganz albernen und schädlichen italienischen Buchs irre
zu leiten, welches den Titel hat: Geschichte der durch die Wundermale
Christi wunderbar begnadigten, annoch lebenden zwei Tiroler Jungfrauen:
Maria von Mörl von Kaltem und Μ. Dominica Lazzari von Cappiana. — Ref.
hat freilich Unrecht, die Censur zu tadeln, da das Publicum dergleichen
bedarf; er tadelt nur, dass wenn man das Eine verbietet, das Andere
erlaubt wird. Im Allgemeien gibt uns Niemand das Recht, uns einzumi-
schen. Das Buch hat schon 1843 die zweite Auflage erlebt und die
Protestanten haben in dieser Rücksicht den Katholiken nichts vorzuwer-
fen, denn unter ihnen ist von der Seherin von Prevorst neulich eine
bis aufs Doppelte vermehrte Auflage erschienen. Nicht allein dies, son-
dern gerade die Ungläubigen glauben am ersten Mährchen. Wo auch
immer Ref. versucht hat, den Leuten z. B. das alberne Mährchen vom
Kaspar Hauser auszureden, hat er tauben Ohren gepredigt.
Von Seite 71 an gibt der Verf. höchst anziehende und dabei un-
terhaltende und gut geschriebene Notizen über Abstammung, Sprache,
Kleidung, Sitten der Südtiroler. Ueberall leidet die Geistlichkeit weder
Tanz noch Musik, was der Verf. doppelt missbilligt, weil das Landvolk
im ganzen Etschland von stiller Gemüthsart sey, so dass man ihm diese
Erheiterung wohl gönnen könnte. „Der deutsche Südtiroler“, fährt er
fort, „besitzt einen guten natürlichen Verstand, lässt sich aber vom
Althergebrachten und von der Geistlichkeit in allen Dingen so beherr-
schen, dass nicht nur eine selbstständige Entwickelung seiner geistigen
Kräfte unterbleibt, sondern er auch jedem andern Einflüsse unzugänglich
geworden ist. Das gilt mit Ausnahme von Vorarlberg von allen Theilen
Tirols und ist der Hemmungsgrund des Fortschritts in allen Dingen.“
Diese Sätze erweiset der Verf. durch eine ganze Reihe einzelner Angaben,
von denen wir nur hie und da einige ausheben wollen, um zu bewei-
sen, wie traurig es ist, wenn Regierungen glauben, es sey in unsern
Zeiten politisch heilsam, die Unterthanen in der Unwissenheit zu halten
und das Pfaffenthum zu fördern.
Unwissenheit, Vorurtheile, Eigensinn und Aberglauben sind, heisst
es S. 86, in Südtirol tief eingewurzelte Gehrechen, die nicht am Wech-
sel der Zeit und der helleren Einsicht hinschwinden, sondern gegenwär-
tig neuerdings sich befestigen und ausbreiten. — Wie vor Jahrhunderten,
so greift noch heutiges Tags der Nonsberger nach dem Gewehr, wenn
es kritisch am Himmel aussieht und schiesst nach den Hexen, die das
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