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Droysen: Leben des Grafen York.

Art encyclopädischer Uebersicht werden dabei besonders von dem Lehrer
lind Führer gefordert. „Meines Wissens“, heisst es unter Anderm, „gibt
es nur zwei Hebel, die Kräfte des Menschen vortheilhaft zum Zweck des
allgemeinen Guten in Bewegung zu setzen. Diese Hebel sind Hoffnung
und Furcht. Aber es ist keine gemeine Kennlniss, beide Hebel gehörig
in Wirkung zu bringen. Die Wege anzuzeigen, diese Kenntniss zu erlan-
gen, ist wieder kein gemeines Wissen.“ Dagegen ist die Trennung zwi-
schen der Moral des Fürsten und des Privatmanns (^nach dem jus divinum
regum?} dunkel, ja falsch ausgedrückt. „Ein König“, sagt der Gene-
ral, „ist eine irdische Gottheit (?) J wie die Gottheit das Unglück zum
Zwecke des allgemeinen Glückes geschehen lässt, so muss der Fürst auch
nur den Zweck des Ganzen im Auge haben. — Die Moral des Fürsten ist
daher auch anders als die des Privatmannes. Zu viel Gefühl für einzelnes
Unglück macht zu weich und bringt das Ganze aus der Wage; zu grosse
Gleichgiltigkeit gegen das Unglück macht gefühllos; der Zweck, zur Kraft
zu führen, würde Tyrannei schaffen.“ 08. 1950 Wenn übrigens der Herr
Verf. (nach Pertz} aussagt (JS. 193}, der bisherige Führer, Delbrück,
habe für den so reich begabten Zögling weder Charakter noch Geist ge-
nug besessen, so ist das schwerlich richtig. Persönliche Bekanntschaft in
der Schweiz im Jahre 1812 hat das Gegentheil gefunden; der Fehler
Delbrück’s lag in zu starker Hingebung an die Höchstgestellten und
in einer mit dem Ernst der Zeit und des Amtes nicht ganz übereinstim-
menden Weichheit des Herzens. Man wird davon gelegenheitlich etliche
charakteristische, gerade auf York’s Abfall bezügliche Ansichten mittheilen
können. — Bei aller Vaterlandsliebe und Schroffheit blieb der
General gerecht; er liess sich weder durch jene bestechen, noch durch
diese verführen; gute Eigenschaften oder Vorzüge des Feindes wurden
offen anerkannt, Gebrechen und Fehler des Feindes ohne Hehl gerügt.
„Die Desertion“, schrieb er z. B. aus Ostpreussen 1811, „ist hier sehr
stark, doch mehr von Deutschen und Polen, als von Franzosen. Auch ich
bin überzeugt, dass die Franzosen des Schlagens müde sind; kommt es
aber dazu, so schlägt sich diess Volk gut, denn Jeder schlägt sich aus
eigenem persönlichen Ehrgefühl und weil er Nationalstolz hat.
Leider ist das bei uns nicht der Fall. Unser Recrutirungssystem ist falsch;
ich habe es oft gesagt, und höre nicht auf es zu sagen.“ Man batte noch

geurtheilt; er sagte nämlich oft: „Die verdammten mirs und michs; beim Schrei-
ben geht es noch; da macht man einen Zug, und Jeder kann es lesen wie er
Will, aber beim Sprechen muss man heraus damit.“ (S. 10.)
 
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