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Nr. 50.

HEIDELBERGER

1851,

JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

11 u r z e Anzeigen.

(Schluss.)
Die Abfassung von Gedichten, um nur diesen Punkt zu erwähnen?
hei feierlichen Gelegenheiten, wo sie sogar vorgetragen wurden, die Auffüh-
rung von dramatischen Stücken, die theils zu solchen Zwecken besonders ge-
fertigt wurden, spielt hier noch neben öfteren Streitigkeiten, die, besonders bei
der Anstellung der Rectoren und Lehrer, durch die kirchlichen Verhältnisse je-
ner Zeiten und die von diesem Standpunkt aus gestellten Forderungen herbei-
geführt wurden, hier auch meist in Zusammenhang standen mit den verschie-
dentlich verursachten Reformplänen, eine besondere Rolle. So ward z. B. in
der Fastenzeit des Jahres 1617 eine actio comica de christiani nominis sorte ac
fortuna aufgeführt; die letzte grössere Komödie, die aufgeführt ward, fällt in
das Jahr 1710, also fast ein Jahrhundert später; in dem damals aufgeführten
Stück: „Das goldene Vliess, d. i. die unvergleichliche Belohnung einer uner-
müdeten Arbeit“, traten vier und dreissig, meist aus der mythisch-heidni-
schen Zeit, einige auch aus dem alten Testament gewählte Personen auf, Jason
mit sechs Gefährten, Europa, als Weltbeherrscherin, Japhet, Sem, Cainan und
Attabaliba, als Vertreter der vier Welttheile, Aeeles und Medea u. s. w. Eine
ähnliche Anzahl von Personen finden wir an einer ähnlichen Aufführung theil—
nehmend, welche zur ersten Jubelfeier des Gymnasiums am 18. August 1665
stattfand und so grossen Beifall einärntete, dass sie am 25. August wiederholt
werden musste. Wir kennen das Stück, das nicht gedruckt wurde, nicht näher,
ersehen aber aus dem Programm, dass es eine religiös-moralische Tendenz hatte:
„dass also der gantze Zweck dahinaus gehet, welcher gestalt ein rechtschaffe-
ner Christ beständig in wahrem Glauben wider alle Verfolgung beharren und
vor die schnöde nichtige Eitelkeit dieser Welt die hohe und selige Ewigkeit
getrost erwehlen sol.“ Bei derselben Feierlichkeit fand auch ein actus oratorio-
comicus statt, bei welchem (so schreibt der Verf.) erst Apollo eine lateinische
Rede'hält, dann die neun Musen, eine nach der andern, auffordert, von denen
jede einen Lehrgegenstand preist, Melpomene die alten, Terpsichore die deut-
sche Sprache, gegen welche Euterpe redet, und so fort. Nach den Musen tre-
ten fünf andere Personen ungerufen auf, ignorantia, otium, voluptas, doxosophia
und discordia, die Apollo zum Sprechen lässt, aber ziemlich kurz abfertigt. Zu-
letzt kommen die Musen noch einmal, um gegen die Anwesenden nach Rang
und Würden, vom Herzog August zu Sachsen an bis zu den Scholarchen, Dank
und Glückwunsch auszusprechen. So wenig derartige Aufführungen als Muster
des Geschmacks in unserer Zeit werden gelten können, so liegt doch auf der
andern Seite in dem Ganzen etwas Sinniges, was uns unwillkührlich anspricht,
zumal wenn wir an manche der jetzt üblichen Redeactus mit ihrer Vornehm-
thuerei und ihrem Hinaufschrauben in andere Sphären denken und die für die
gesammte Erziehung daraus hervorgehenden Nachtheile erwägen, die keinem
XLIV. Jahrg. 5. Doppelheft. 50
 
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