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690 Keller: Semestrium ad Μ. Tullium Ciceronem libri sex.
«enden untergeordnet; darauf lässt Cicero die Figur der repetitio ein-
treten, von welcher im Text das erste Glied mangelhaft ist; gewiss schrieb
er tum solent eiusmodi iniquitati — opponere, worauf nicht durch ein
Punktum, sondern ein blosses Komma getrennt folgen muss: tum illud etc.
Das erste tum konnte sehr leicht nach contenditur ausgelassen werden.
Von diesem locus communis über die Gutachten der Juristen kömmt
Cicero auf den zweiten, der das ins civile selbst betrifft §. 70 — 77. Die
Wohlthat, welche in seinem Besitz jedem Mitglied des Staats verliehen
ist, kann nur durch ungerechte und willkürliche Entscheidungen der Ge-
richte geschmälert oder gar aufgehoben werden. Mit Anwendung auf
den vorliegenden Fall erklärt der Redner, es habe weniger auf sich,
wenn Caecina nicht restituirt werde, aber die allgemeine Sicherheit, die
Sache der Römischen Nation, aller Besitz steht auf dem Spiel, wenn —
vestra auctoritate hoc conslituetur: quicum tu posthac de possessione con-
tendes, eum si ingressum modo deieceris, in praedium restituas oportebit,
sin autem ingredienti cum armata multitudine obvius fueris et ita venientem
repuleris fugaris averteris, non restitues. — Nun folgt die famöse Stelle,
woran sich nacheinander Naugerius, Lambinus, Ernesti, Schütz, Klotz ver-
sucht haben, ohne gewahr zu werden, dass die Gegensätze von ius und
lubido, jenes auf Billigkeit, diese auf wörtliche Interpretation gestützt bei
aller Verderbniss der Periode durchblicken und daher für die Emendation
Leitsterne seyn müssen. Das hat erst Madvig erkannt, wenn er in der
Vorrede zu Cic. de Finib. p. XLVIII besserte: iuris haec vox est, esse
vim non in caede solum, sed etiam in animo, lubidinis, nisi cruor adpa-
reat, vim non esse factam; iuris, deiectum esse, qui prohibitus sit, lubi-
dinis, nisi ex eo loco, ubi vestigium inpresserit, deici neminem posse;
iuris retineri sentenliam et aequitate plurumum valere oportere, lubidinis,
verbo ac liltera ius omne torqueri. vos statuite, recuperatores, utra uti-
lior esse videatur. Der Einwand Jordans im Commentar p. 260, lubido
komme in Cicero’s Auseinandersetzung hier nicht weiter vor, und gefalle
nicht allzu sehr als Antithese von ius, mag auf sich beruhen bleiben; wa-
rum soll Cicero Alles zweimal sagen? Ueberdiess ist lubidinis ja keine
Conjectur und könnte zum Ueberfluss aus vielen Stellen, wie Verr. II,
1, 120 belegt werden. Gegründet aber ist der Tadel, dass nach Madvig’s
Emendation der Gedanke zu abgerissen darstehe; allerdings verknüpft er
sich nicht gehörig mit dem unmittelbar Vorhergehenden. Betrachtet man
den Ideengang des Redners in dem ganzen locus communis, so ergibt sich
als passender Schluss desselben nur die Aufforderung an die Recuperato-
ren, durch ihr Urtheil die Festigkeit des Rechts, was er mit den Worten
 
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