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Hammer: Literaturgeschichte der Araber.

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Schiiten sahen sie immer als Usurpatoren gegenüber den Nachkommen der
Tochter des Propheten an, und die übrigen unbefangenen Muselmänner
waren entweder Anhänger der Omejjaden, oder sie erkannten gar keine
Obrigkeit als eine von Gott eingesetzte an, was die Zersplitterung des
grossen Chalifenreichs in eine Unzahl kleiner Dynastien zur Folge hatte,
die je nach Umständen sich bald zum Scheine dem Chalifate unterordne-
ten, bald ihm offen den Krieg erklärten. Ganz gleichen Schritt hielt in-
dessen der Verfall der Cultur und Literatur keineswegs mit dem Sinken
der politischen Macht des Chalifats; es entstand vielmehr nicht nur an
den drei Residenzen der das Imamat ansprechenden Omejjaden, Fatimiden
und Abbasiden, zu Cordova, Kahira und Bagdad auch in wissenschaftlicher
Beziehung ein gewisser Wetteifer, sondern selbst die Häupter kleinerer
Fürstenlhümer bemühten sich, den Glanz ihres Hofes durch Herbeizieben
Gelehrter und Dichter zu erhöhen. So war der grosse Dichter Motenebbi
die Zierde der Hamdaniden, der Astronom Ibn Junis verherrlichte die
Residenz der Fatimiden, Ibn Sina (^Avicenna) den Hof der Deilemiten. Die
Gaznawiden unterstützten nicht nur die grössten persischen Dichter, sondern
auch Albiruni, der grosse Astronom und Naturforscher, bildete sich unter
ihrem Schutze aus. Wie in der Unterstützung hervorragender Gelehrter
und Dichter, wetteiferten auch die verschiedenen Fürsten im 4. und 5. Jahr-
hunderte der Hidjrah mit einander in Gründung hoher Schulen und Stif-
tung öffentlicher Bibliotheken, durch welche die Wissenschaft immer
mehr Gemeingut der Nation ward. Die erste hohe Schule von Bagdad
entstand erst unter den Seldjuken, als das Chalifat nur noch ein leerer
Name war, und derselben Zeit gehören der Dichter Hariri und der Philo-
soph Gazali an, und noch ein Jahrhundert später lebte der in Europa
als Averroes bekannte Philosoph und Arzt Ibn Roschd. Auch auf dem
Gebiete der Geographie und Geschichte finden wir in dieser Periode noch
Namen erster Grösse, und wir erinnern nur an Ibn Alathir, Imadeddin,
Behaeddin, Edrisi, Jakut, Kaswini. Ja selbst nach dem Untergange des
Chalifats zeichneten sich noch viele Araber als Geografen und Historiker
aus, von denen wir nur an die auch in Europa bekannten Ibn Challikan,
Ibn Kethir, Nuweiri, Abulfeda, Makrizi, Sujuti und Ibn Chaldun erinnern wollen.
Der gänzliche Verfall der arabischen Literatur beginnt erst mit dem zehnten
Jahrhunderte der Hidjrah, als der eiserne Arm der Osmanli sich bis über
Egypten ausstreckte, unter deren Herrschaft nur noch die juristische Li-

Abu Haschim Ahd Allah, dem Sohne des Ibn Hanefije verwechseln, der seine
Rechte durch Vermächtniss auf Mohammed Ibn Ali übertragen haben soll.
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