Witzschel: Grundlinien der neuern Geometrie.
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Im fünften Kapitel handelt der Verf. sehr ausführlich über
die geometrische Deutung und Construction imagi-
närer Werthe und Formen, complexe Doppelverhält-
nisse und Involutionen. — An sich, d. h. aus rein wissen-
schaftlichem Gesichtspunkte betrachtet, verdient diese fast 70 Sei-
ten anfüllende Darstellung einer immer noch nicht allgemein einge-
bürgerten und richtig erkannten, hochwichtigen Lehre alle Anerken-
nung— aber aus einem pädagogischen Gesichtspunkte betrachtet,
d. li. in einem für den ersten Unterricht bestimmten Lehr-
buche, ist sie ganz am unrechten Orte — und es wäre viel
zweckmässiger gewesen, wenn der Verf. in den frühem, namentlich
im 3. und 4. Kapitel, an den betreffenden Stellen, wo bis dahin
reell gewesene Punkte und Linien imaginär werden können,
in ganz „einfachen Bemerkungen“ die geometrische
Bedeutung imaginärer oder complexer analytischer Ausdrücke
und deren Construction, d. h. die Lage dieser Punkte und
Linien angegeben hätte. — Damit ist die Möbius’sche Transfor-
mation oder Uebertragung logimetrischer Relationen in pla-
nimetrische mittelst des Imaginären nicht zu verwechseln —
diese ist eine Anwendung der Gauss’sehen Principien, welche,
wenn wir sie auch gerade nicht zu den in neuester Zeit vielfach
vorgekommenen abusiven geometrischen Anwendungen der
Gauss’sehen Theorie zählen — für den ersten Unterricht doch
viel zu weitschichtig und indirekt ist. — Die wenigen da-
durch mühsam errungenen Resultate -— abgesehen von ihrem ge-
ringem Interesse — können durch andere Methoden — z. B. durch
die der „reciproken Radienvectoren“ Transformation par
rayons vecteurs rdeiproques) viel einfacher und direkter
erhalten werden. — Nach dieser Methode heissen bekanntlich zwei
Punkte m und m' in Bezug auf einen Anfangspunkt o reciprok
nach der positiven oder negativen Potenz P, wenn sie auf der-
selben durch o gehenden Geraden so liegen, dass om . om’ = P
ist. — Wenn also m, m' ; η, η” zwei Paare reciproker Punkte
sind, so hat man:
, , om on
om . om = on , on = P , - — -—
on om
und wegen der ähnlichen Dreiecke omn,onm':
mn om m'n „ , , mn „
—— = —/, mn = —7 z. P, m n =-. P,
m n on om . on om.on
Die correspondirenden Winkel zweier reciproker
Figuren sind offenbar einander gleich. — Mittelst der vorher-
gehenden Relationen kann man nun leicht von der einen zweier
reciproker Figuren zu der andern übergehen. Sind z. B. a, b, c
drei in dieser Folge auf einer Geraden liegende Punkte, so ist:
ac = ab bc, (a)
und wenn man in Bezug auf einen beliebigen, ausserhalb dieser
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Im fünften Kapitel handelt der Verf. sehr ausführlich über
die geometrische Deutung und Construction imagi-
närer Werthe und Formen, complexe Doppelverhält-
nisse und Involutionen. — An sich, d. h. aus rein wissen-
schaftlichem Gesichtspunkte betrachtet, verdient diese fast 70 Sei-
ten anfüllende Darstellung einer immer noch nicht allgemein einge-
bürgerten und richtig erkannten, hochwichtigen Lehre alle Anerken-
nung— aber aus einem pädagogischen Gesichtspunkte betrachtet,
d. li. in einem für den ersten Unterricht bestimmten Lehr-
buche, ist sie ganz am unrechten Orte — und es wäre viel
zweckmässiger gewesen, wenn der Verf. in den frühem, namentlich
im 3. und 4. Kapitel, an den betreffenden Stellen, wo bis dahin
reell gewesene Punkte und Linien imaginär werden können,
in ganz „einfachen Bemerkungen“ die geometrische
Bedeutung imaginärer oder complexer analytischer Ausdrücke
und deren Construction, d. h. die Lage dieser Punkte und
Linien angegeben hätte. — Damit ist die Möbius’sche Transfor-
mation oder Uebertragung logimetrischer Relationen in pla-
nimetrische mittelst des Imaginären nicht zu verwechseln —
diese ist eine Anwendung der Gauss’sehen Principien, welche,
wenn wir sie auch gerade nicht zu den in neuester Zeit vielfach
vorgekommenen abusiven geometrischen Anwendungen der
Gauss’sehen Theorie zählen — für den ersten Unterricht doch
viel zu weitschichtig und indirekt ist. — Die wenigen da-
durch mühsam errungenen Resultate -— abgesehen von ihrem ge-
ringem Interesse — können durch andere Methoden — z. B. durch
die der „reciproken Radienvectoren“ Transformation par
rayons vecteurs rdeiproques) viel einfacher und direkter
erhalten werden. — Nach dieser Methode heissen bekanntlich zwei
Punkte m und m' in Bezug auf einen Anfangspunkt o reciprok
nach der positiven oder negativen Potenz P, wenn sie auf der-
selben durch o gehenden Geraden so liegen, dass om . om’ = P
ist. — Wenn also m, m' ; η, η” zwei Paare reciproker Punkte
sind, so hat man:
, , om on
om . om = on , on = P , - — -—
on om
und wegen der ähnlichen Dreiecke omn,onm':
mn om m'n „ , , mn „
—— = —/, mn = —7 z. P, m n =-. P,
m n on om . on om.on
Die correspondirenden Winkel zweier reciproker
Figuren sind offenbar einander gleich. — Mittelst der vorher-
gehenden Relationen kann man nun leicht von der einen zweier
reciproker Figuren zu der andern übergehen. Sind z. B. a, b, c
drei in dieser Folge auf einer Geraden liegende Punkte, so ist:
ac = ab bc, (a)
und wenn man in Bezug auf einen beliebigen, ausserhalb dieser