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Uebersetzungen Griechischer und Römischer Classiker.
seine Uebersetzung schliesst sich mit *Treue an den griechischen
Text an und erlaubt sich keine der willkührlichen Umschreibungen,
die oftmals zu wahren Entstellungen führen, und am wenigsten ge-
eignet sind, einen richtigen Begriff des Originals dem der griechi-
schen Sprache nicht kundigen Leser zu geben; eben so aber ist
auch dem, was unsere Sprache erheischt, Rechnung getragen: alle
Härten sind vermieden, das Ganze liest sich recht gut, wie die bei-
den Proben zeigen mögen, die wir als Beleg dieses unseres Ur-
theiles hier anführen wollen. Wir wählen dazu die Stelle- des
1. Buches cap. 14, wo Polybius über Fabius und Philinos sich in
Bezug auf die Treue und Wahrheit der beiderseitigen Darstellungen
ausspricht:
„Dass diese Männer absichtlich gelogen hätten, kann ich im
Hinblick auf ihr Leben und ihre Gesinnung nicht annehmen, wohl
aber erscheint es ihnen in ähnlicher Weise ergangen zu sein, wie
es den Liebenden zu ergehen pflegt. Denn bei seiner Gesinnung
und der ihn beherrschenden Zuneigung erscheinen dem Philinos alle
Handlungen der Karthager verständig, ehrenhaft und männlich, und
die Handlungen der Römer entgegengesetzt, dem Fabius aber gerade
umgekehrt. Sonst im Leben nun ist eine solche Hingebung wohl
nicht zu verwerfen. Denn ein braver Mann muss seine Freunde
und sein Vaterland lieben, und mit den Freunden ihre Feinde has-
sen und ihre Freunde lieben. Wenn aber Einer die Aufgabe der
Geschichtschreibung übernimmt, so muss er alles dieses vergessen;
und oft muss er die Feinde rühmen und mit den grössten Lob-
sprüchen schmücken, wenn ihre Handlungen dies verlangen, und oft
die nächsten Freunde tadeln und schonungslos verdammen, wenn
die Fehler ihrer Handlungsweise dies erfordern. Denn wie ein
lebendes Wesen, wenn die Augen ihm genommen sind, völlig un-
tüchtig wird, so wird, wenn aus der Geschichte die Wahrheit hin-
weggenommen ist, das üebrigbleibende ein unnützes Gerede. Darum
darf man nicht anstehen, die Freunde anzuklagen und die Feinde
zu loben, und darf sich nicht scheuen, dieselben Leute bald za
tadeln bald zu preisen; denn es ist unmöglich', dass diejenigen, die
in Staatshändel verwickelt sind, stets das Rechte treffen, noch ist es
denkbar, dass sie beständig fehlen. Darum muss man in der Er-
zählung von den Handelnden absehen und den Handlungen selbst
die richtigen Behauptungen und Urtheile anpassen. Wie wahr aber
dasjenige ist, was wir eben gesagt, das lässt sich aus Folgendem
abnehmen“.
und reihen dann noch eine andere Stelle I, 35, in welcher Polybius
sich in Betrachtungen auslässt, zu welchen ihn die vorhergehende
Darstellung des von Xanthippus über Atilius erfochtenen Sieges
veranlasst:
„Wer diesen Verlauf der Ereignisse gehörig in’s Auge fasst,
wird Vieles darin finden, woraus für das menschliche Leben Gewinn
zu ziehen ist. Denn dass dem Glücke nicht zu trauen sei, und am
Uebersetzungen Griechischer und Römischer Classiker.
seine Uebersetzung schliesst sich mit *Treue an den griechischen
Text an und erlaubt sich keine der willkührlichen Umschreibungen,
die oftmals zu wahren Entstellungen führen, und am wenigsten ge-
eignet sind, einen richtigen Begriff des Originals dem der griechi-
schen Sprache nicht kundigen Leser zu geben; eben so aber ist
auch dem, was unsere Sprache erheischt, Rechnung getragen: alle
Härten sind vermieden, das Ganze liest sich recht gut, wie die bei-
den Proben zeigen mögen, die wir als Beleg dieses unseres Ur-
theiles hier anführen wollen. Wir wählen dazu die Stelle- des
1. Buches cap. 14, wo Polybius über Fabius und Philinos sich in
Bezug auf die Treue und Wahrheit der beiderseitigen Darstellungen
ausspricht:
„Dass diese Männer absichtlich gelogen hätten, kann ich im
Hinblick auf ihr Leben und ihre Gesinnung nicht annehmen, wohl
aber erscheint es ihnen in ähnlicher Weise ergangen zu sein, wie
es den Liebenden zu ergehen pflegt. Denn bei seiner Gesinnung
und der ihn beherrschenden Zuneigung erscheinen dem Philinos alle
Handlungen der Karthager verständig, ehrenhaft und männlich, und
die Handlungen der Römer entgegengesetzt, dem Fabius aber gerade
umgekehrt. Sonst im Leben nun ist eine solche Hingebung wohl
nicht zu verwerfen. Denn ein braver Mann muss seine Freunde
und sein Vaterland lieben, und mit den Freunden ihre Feinde has-
sen und ihre Freunde lieben. Wenn aber Einer die Aufgabe der
Geschichtschreibung übernimmt, so muss er alles dieses vergessen;
und oft muss er die Feinde rühmen und mit den grössten Lob-
sprüchen schmücken, wenn ihre Handlungen dies verlangen, und oft
die nächsten Freunde tadeln und schonungslos verdammen, wenn
die Fehler ihrer Handlungsweise dies erfordern. Denn wie ein
lebendes Wesen, wenn die Augen ihm genommen sind, völlig un-
tüchtig wird, so wird, wenn aus der Geschichte die Wahrheit hin-
weggenommen ist, das üebrigbleibende ein unnützes Gerede. Darum
darf man nicht anstehen, die Freunde anzuklagen und die Feinde
zu loben, und darf sich nicht scheuen, dieselben Leute bald za
tadeln bald zu preisen; denn es ist unmöglich', dass diejenigen, die
in Staatshändel verwickelt sind, stets das Rechte treffen, noch ist es
denkbar, dass sie beständig fehlen. Darum muss man in der Er-
zählung von den Handelnden absehen und den Handlungen selbst
die richtigen Behauptungen und Urtheile anpassen. Wie wahr aber
dasjenige ist, was wir eben gesagt, das lässt sich aus Folgendem
abnehmen“.
und reihen dann noch eine andere Stelle I, 35, in welcher Polybius
sich in Betrachtungen auslässt, zu welchen ihn die vorhergehende
Darstellung des von Xanthippus über Atilius erfochtenen Sieges
veranlasst:
„Wer diesen Verlauf der Ereignisse gehörig in’s Auge fasst,
wird Vieles darin finden, woraus für das menschliche Leben Gewinn
zu ziehen ist. Denn dass dem Glücke nicht zu trauen sei, und am