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Schriften über griechische Metrik.

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ihren Ursprung nähmen. Man kann diese Hermannsche Theorie
des Rhythmus mit einer gefüllten Spritze vergleichen, die beim
ersten Druck den grössten Strahl, wo möglich in der Form eines
Choriamben, hervorstösst, und bei jedem weiteren Drucke nur
kleinere Masse, einzelne Füsse oder Halbfüsse, von sich gibt.
Neben ihrer Hauptmündung hat man sich dann noch eine kleinere
Oeffnung zu denken, die beliebig kleiner oder grösser· gemacht wer-
den kann, und die nach der entgegengesetzten Richtung eine soge-
nannte Anacrusis, oder eine sogenannte Basis, oder auch eine ganze
Dipodie mit oder ohne Anacrusis herauswirft. Als selbstverständ-
lich gilt es dabei für Hermann sowohl als sämmtliche neueren
Metriker, dass die metrische Reihe (wie die rhythmische in unse-
rem Notensysteme) mit der Ictussilbe oder dem guten Tacttheile
beginne, und dass alles Vorausgehende als Anacrusis, Auftact
oder sonst als Einleitung angesehen werden müsse. Sowenig glück-
lich auch diese Hermannsche Erklärung des Rhythmus ausgedrückt
sein mag, so birgt sie doch einen sehr wesentlichen Gedanken;
sie stellt nämlich die Forderung auf, dass eine rhythmische Reihe,
um als ein Ganzes aufgefasst und gefühlt zu werden, einen Mittel-
punkt haben müsse, zu dem alle ihre Theile in Beziehung gesetzt
seien. Uebrigens stellt Hermann diese Ansichten über Rhythmus
nur im Eingänge seiner Metrik auf, ohne dass dieselben auf die
Behandlung des Einzelnen einen Einfluss hätten. Er lässt sich
hier vielmehr ganz von seinem metrischen Gefühle leiten.
Boeckh hatte den sehr glücklichen Gedanken, (nach Vorgang
von Ahlwardt) den Satz Hepbästions: παν μετρον είς τελείαν
περατονταε λίϊμν auf Pindar anzuwenden, und theilte zueist dessen
Gesänge in Verse mit sicheren Grenzen ab. Seiner Metrik legte
er die Lehre der Alten von den drei rhythmischen Geschlechtern
zu Grunde. Die Basen behielt er von Hermann bei, wenn er auch
ihren Begriff beschränkte, und erklärte sie für kleinere Reihen.
So waren denn seine Verse aus einer grösseren oder kleineren An-
zahl von Reihen zusammengesetzt, die übrigens in weiter keinem
Verhältnisse zu einander standen, als dass die sie bildenden Wörter
hintereinander gedruckt waren. Rüe.ksichtlich der Scansion der-
selben befand er sich etwa in derselben Lage, wie Champollion
den Hieroglyphen und Lanzi den etruscischen Inschriften gegen-
über, welche die Schriftzeichen glücklich entziffert hatten und die
mit ihnen gebildeten Wörter lesen konnten, ohne jedoch ihren
Sinn zu verstehen. Denn ebenso wenig konnte Böckh die Reihen
seiner Verse zu einem rhythmischen Ganzen vereinigen. Er machte
zwar den Versuch die metrischen Füsse in musicalische Tacte zu
verwandeln, indem er (de metr. Pind. S. 107) den rationalen
Trochäus (-v) = 2, 1, den irrationalen Trochäus (-'-) — ] 5/7)
l2/7, den irrationalen Dactylus (d. h. -vv mit irrationalen Länge)
= 12/7 > 6/7, 6L), also alle diese Füsse = 3 Zeiten, und an-
dererseits das metrum trochaicum mit kurzer Endsilbe (-v -v)
 
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