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3 ** * „ 2
Sauſtag, den 27. Juni: 18688.
Erſcheint Mittwoch und Samſtag. Preis monatlich 12 fr. Einzelne Nummer à 2 kr. Man: abonntrt in der Druckerei, Untereſtr. 9
uundſber den Trägern. Auswärts bei! den Landboten und Poſtanſtalten
Das Erdmännlein,
7— oder —
BDer Handſchuh der Rurfürſtin.
„Hiſtoriſche Novelle aus den Zeiten des dreißigjährigen Kriegs.
JCortſetzung) —
Er bekannte in abgebrochenen Sätzen, daß er ſie in
einer bewachten Sänfte mit ſich ins Elſaß geſchleppt habe,
und als er mit einigen ſeiner Leute zur Ligne über-
gegangen, hätte er ſich auf einem Kahn mit ihr und
zwei Knechten den Rhein herabfahren laſſen, da hätte
er, von Leidenſchaft überwältigt, Adelheit umarmen
wollen, worauf ſie ſich, ehe er es hätte hindern
können, in den Rhein geſtürzt, in Neu buürg7) habe
man ihren Leichnam aufgefunden und er habe ſie auch
dorten neben der Kirche beerdigen laſſen.
„Kaum hatte er ſein Bekenntniß abgelegt, entſloh
ſeine Seele, und ich weihte dem treuen Weibe, welche
den Tod der Schande vorzog, unzählige Thränen,
welche auch das Auge des rauhen Kriegers nicht ſchän-
den. — Ich habe ſpäter ihr Grab aufgeſucht und einen
einfachen Stein mit A. v. E. 1622 darauf ſetzen laſſen.
„Sier ſchwieg der Vater und umarmte ſeinen Sohn,
indem er ſagte: „Gott ſei Dank, daß ich wenigſtens
Dich, meinen lieben Sohn, ſo gefunden habe, wie ich
es wünſchte. “ 2—
Hier, als Herr v. Elz forterzählen wollte, kam
der alte Diener herein und berichtete, daß vieles Volk
auf dem Kandler Weg wäre, welches vor den Erd-
hügeln flehe, daß die Erdleute ſie doch erhören und
und ihnen jetzt, da dieſelben ja immer ſo wohlthätig
wären, nun in der größten Noth beiſtehen möchten. —
Meiſter Klaus vertauſchte ſeine Hausmütze mit dem
großen Hut, ſchnallte ſein Schwert um und befahl dem
beinah ganz gleich gekleideten Knaben mitzukommen,
dann ging er durch die Fallthüre und war wie aus
der Erde geſtiegen, was auch wirklich der Fall war,
auf einem Erdhügel den flehenden Landleuten gegen-
über. Kaum war Meiſter Klaus ſichtbar, ſo riefen
. Dieſes ſchöne Dorf Neudorf ſoll aus der Grafſchaft
Forchheim hervorgegangen ſein und wird öfters in der Geſchichte
genannt; auch iſt es hiſtoriſch intereſſant, daß ſich in Neuburg Kur-
fürſt Friedrich I. mit Marigraf Jakob von Baden 1455 bei einem
tranlichen Nachtmahle verſöhnten. Das Schloß war ſchon im Bauern-
kriege 1525 verfallen und liegt dermalen in der Tiefe des Rheins.
Noch im Jahr 1570 lag der Flecken Neuburg auf dem rechten Rhein-
ufer, hatte Ortsgemeinſchaft mit Mörſch und ehemals eine große
Gemarkung, wozu der große Waldſtrich „Kaſtenwörth“, der ſich bis
Ettlingen hinaufzieht, und der Eiſenberg gehörte.
die Hände empor
kräftiger Stimme: ö
„Gott, aber nicht vor uns, die wir Geſchöpfe des All-
mächtigen ſind wie Ihr. — Es trete Einer hervor
guter Rathenicht fehlen...
Thier des Binwaldes, obdachlos umher.
—2—2—
Alle halb furchtſam, halb ehrerbietig! „Das Erdmännel,
und ſeht, es iſt noch eines hinter ihm
Alle warfen ſich äuf die Knie und hoben flehend
Meiſter Klaus rief aber mit
„Stehet aulßle man“ küiet nur vor
und verkünde, was Ener Begehren iſt. Wir ſollten
Euch zwar nicht erhören, da ihr geſtern aus Furcht
auch nicht den Nothruf Eurer Nebenmenſchen gehört;
doch redet, meine Erdlente ſind gut, und iſt es ihnen
immer möglich, zu helfen, ſo thun ſie es, wo! nicht,
ſo ſoll Euch, ſind Eure Wünſche gerecht * wenigſtens
chdem ſich die Landleute eine
— Weile beſprochen, ein alter Mann hervor, der
ſprach: * ·B⁸ä
„Wohlthätige Erdleute! Wir ſind die übrig ge-
bliebenen ehemaligen Bewohner Vorlachs, welches geſtern
in dem Rheine zu Grunde ging, einhundert und fünfzig
Menſchen, die vor Kurzem noch eine Heimath kannten,
und wiewohl uns der Krieg gar manchfattige ſchwere
Schickſale auferlegte, ſo hatten wir doch Hütten, die
uns vor Wind und Wetter ſchützten, einen Heerd, auf
dem wir unſere dürftige Nahrung für uns und die
Unſerigen bereiten konnten, Vieh, das uns Fleiſch und
Butter gab, Felder, welche uns Brod verſprochen —
heute ſind wir ärmer als Bettler, denn der Rhein hat
uns Alles, Alles geraubt, und wir irren nun, wie das
In dieſer
großen Noth wenden wir uns an Euch, die, wie in
der ganzen Gegend bekannt, den armen Bewohnern
Wörths ſchon ſo manchfaltiges Gute gethan, o helſt,
helft auch uns in unſerer großen Noth!“
„Helft! helft!“ ſchrieen Alle, und fielen abermals
auf die Knieend
„Stehet auf!“ donnerte Klaus, „ich habe Euch
ſchon geſagt, daß man nur vor Gott knieet. Wartet
kurze Zeit, ich gebe Euch gleich Beſcheid und muß nur
zuvor mit dem Erſten meines Volkes reden.“
Mit dieſen Worten verſchwand Meiſter Klaus im
Gebüſch, indeſſen die armen Leute ängſtlich warteten-
Bald kam er wieder und rief: „Hört! hört! Geht
zu dem armen, aber braven Fiſchervölkchen der Wör-
ther, berichtet demſelben, daß wir befehlen, daß ſie
Euch in ihre Gemeinde auſnehmen und halten ſolltet,
als wenn Ihr von jeher zu ihnen gehört hättet, und
damit Ihr einhundert und fünfzig Männer, Weiber
Kinder Euch wieder anſiedeln und einrichten könnt,
Es trat nun, nach
3 ** * „ 2
Sauſtag, den 27. Juni: 18688.
Erſcheint Mittwoch und Samſtag. Preis monatlich 12 fr. Einzelne Nummer à 2 kr. Man: abonntrt in der Druckerei, Untereſtr. 9
uundſber den Trägern. Auswärts bei! den Landboten und Poſtanſtalten
Das Erdmännlein,
7— oder —
BDer Handſchuh der Rurfürſtin.
„Hiſtoriſche Novelle aus den Zeiten des dreißigjährigen Kriegs.
JCortſetzung) —
Er bekannte in abgebrochenen Sätzen, daß er ſie in
einer bewachten Sänfte mit ſich ins Elſaß geſchleppt habe,
und als er mit einigen ſeiner Leute zur Ligne über-
gegangen, hätte er ſich auf einem Kahn mit ihr und
zwei Knechten den Rhein herabfahren laſſen, da hätte
er, von Leidenſchaft überwältigt, Adelheit umarmen
wollen, worauf ſie ſich, ehe er es hätte hindern
können, in den Rhein geſtürzt, in Neu buürg7) habe
man ihren Leichnam aufgefunden und er habe ſie auch
dorten neben der Kirche beerdigen laſſen.
„Kaum hatte er ſein Bekenntniß abgelegt, entſloh
ſeine Seele, und ich weihte dem treuen Weibe, welche
den Tod der Schande vorzog, unzählige Thränen,
welche auch das Auge des rauhen Kriegers nicht ſchän-
den. — Ich habe ſpäter ihr Grab aufgeſucht und einen
einfachen Stein mit A. v. E. 1622 darauf ſetzen laſſen.
„Sier ſchwieg der Vater und umarmte ſeinen Sohn,
indem er ſagte: „Gott ſei Dank, daß ich wenigſtens
Dich, meinen lieben Sohn, ſo gefunden habe, wie ich
es wünſchte. “ 2—
Hier, als Herr v. Elz forterzählen wollte, kam
der alte Diener herein und berichtete, daß vieles Volk
auf dem Kandler Weg wäre, welches vor den Erd-
hügeln flehe, daß die Erdleute ſie doch erhören und
und ihnen jetzt, da dieſelben ja immer ſo wohlthätig
wären, nun in der größten Noth beiſtehen möchten. —
Meiſter Klaus vertauſchte ſeine Hausmütze mit dem
großen Hut, ſchnallte ſein Schwert um und befahl dem
beinah ganz gleich gekleideten Knaben mitzukommen,
dann ging er durch die Fallthüre und war wie aus
der Erde geſtiegen, was auch wirklich der Fall war,
auf einem Erdhügel den flehenden Landleuten gegen-
über. Kaum war Meiſter Klaus ſichtbar, ſo riefen
. Dieſes ſchöne Dorf Neudorf ſoll aus der Grafſchaft
Forchheim hervorgegangen ſein und wird öfters in der Geſchichte
genannt; auch iſt es hiſtoriſch intereſſant, daß ſich in Neuburg Kur-
fürſt Friedrich I. mit Marigraf Jakob von Baden 1455 bei einem
tranlichen Nachtmahle verſöhnten. Das Schloß war ſchon im Bauern-
kriege 1525 verfallen und liegt dermalen in der Tiefe des Rheins.
Noch im Jahr 1570 lag der Flecken Neuburg auf dem rechten Rhein-
ufer, hatte Ortsgemeinſchaft mit Mörſch und ehemals eine große
Gemarkung, wozu der große Waldſtrich „Kaſtenwörth“, der ſich bis
Ettlingen hinaufzieht, und der Eiſenberg gehörte.
die Hände empor
kräftiger Stimme: ö
„Gott, aber nicht vor uns, die wir Geſchöpfe des All-
mächtigen ſind wie Ihr. — Es trete Einer hervor
guter Rathenicht fehlen...
Thier des Binwaldes, obdachlos umher.
—2—2—
Alle halb furchtſam, halb ehrerbietig! „Das Erdmännel,
und ſeht, es iſt noch eines hinter ihm
Alle warfen ſich äuf die Knie und hoben flehend
Meiſter Klaus rief aber mit
„Stehet aulßle man“ küiet nur vor
und verkünde, was Ener Begehren iſt. Wir ſollten
Euch zwar nicht erhören, da ihr geſtern aus Furcht
auch nicht den Nothruf Eurer Nebenmenſchen gehört;
doch redet, meine Erdlente ſind gut, und iſt es ihnen
immer möglich, zu helfen, ſo thun ſie es, wo! nicht,
ſo ſoll Euch, ſind Eure Wünſche gerecht * wenigſtens
chdem ſich die Landleute eine
— Weile beſprochen, ein alter Mann hervor, der
ſprach: * ·B⁸ä
„Wohlthätige Erdleute! Wir ſind die übrig ge-
bliebenen ehemaligen Bewohner Vorlachs, welches geſtern
in dem Rheine zu Grunde ging, einhundert und fünfzig
Menſchen, die vor Kurzem noch eine Heimath kannten,
und wiewohl uns der Krieg gar manchfattige ſchwere
Schickſale auferlegte, ſo hatten wir doch Hütten, die
uns vor Wind und Wetter ſchützten, einen Heerd, auf
dem wir unſere dürftige Nahrung für uns und die
Unſerigen bereiten konnten, Vieh, das uns Fleiſch und
Butter gab, Felder, welche uns Brod verſprochen —
heute ſind wir ärmer als Bettler, denn der Rhein hat
uns Alles, Alles geraubt, und wir irren nun, wie das
In dieſer
großen Noth wenden wir uns an Euch, die, wie in
der ganzen Gegend bekannt, den armen Bewohnern
Wörths ſchon ſo manchfaltiges Gute gethan, o helſt,
helft auch uns in unſerer großen Noth!“
„Helft! helft!“ ſchrieen Alle, und fielen abermals
auf die Knieend
„Stehet auf!“ donnerte Klaus, „ich habe Euch
ſchon geſagt, daß man nur vor Gott knieet. Wartet
kurze Zeit, ich gebe Euch gleich Beſcheid und muß nur
zuvor mit dem Erſten meines Volkes reden.“
Mit dieſen Worten verſchwand Meiſter Klaus im
Gebüſch, indeſſen die armen Leute ängſtlich warteten-
Bald kam er wieder und rief: „Hört! hört! Geht
zu dem armen, aber braven Fiſchervölkchen der Wör-
ther, berichtet demſelben, daß wir befehlen, daß ſie
Euch in ihre Gemeinde auſnehmen und halten ſolltet,
als wenn Ihr von jeher zu ihnen gehört hättet, und
damit Ihr einhundert und fünfzig Männer, Weiber
Kinder Euch wieder anſiedeln und einrichten könnt,
Es trat nun, nach