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Heidelberger Volksblatt (1) — 1868

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Nr. 16 - Nr. 24 (1. August - 29. August)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43805#0077

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ö Mittwoch, den 1 2,Auguſt 1868.

Erſcheint Mittwoch und Sam

——

— u

— —

Seltene Fügungen
Von M. Roſen. ö
(Fortſetzung. )

VIch habe ſie bereits aufgegeben, ſprach Georg,
„oder beſſer geſagt, ſie hat mich verlaſſen. Ich kann

hier nicht länger bleiben; nennen Sie es Schwäche,

nennen Sie es einen häßlichen Zug meines Charakters,
ich kann Cäciliens Wonne nicht anſehen, ich kann nicht
Zeuge dieſes fremden Glückes ſein, ich fühle, daß ich
es zerſtören könnte, — ich muß fort!:.
Madame Müller ergriff ſeine Hand; ſie flehte, daß
er bleibe, und erſt nachdem er ihr verſprochen, wenig-

ſtens für den Augenblick ſeine Reiſe noch aufzuſchieben,

entließ ſie ihn. Nachdem er fortgegangen war, blieb
ſie nachdenkend und überlegend auf ihrem Zimmer. Es
ſtürmte in ihrem Innern. Für Georg durfte ſie bei
Cäcilien nicht das Wort führen; ſie hatte dem Vater
verſprechen müſſen, es zu unterlaſſen, und welchen
„Eindruck durfte ſie wohl auch von ihren Worten auf
eigenfinniges, feuriges Mädchen ſich verſprechen, in
deſſen Herzen zum erſten Male Regungen erwacht wa-
ren, die in jedem Augenblick neue Nahrung empfingen.
Sie hatte vergebens nach einer Eingebung gerungen;
alles, was ſie ergreifen wollte, verwarf ſie wieder; ihre
Untuhe wuchs zur Qual. In dieſer Stimmung mel-
dete ein Diener, daß die Herrſchaft gekommen ſei.
5Georg darf nicht fort, und ich will der Gefahr
drohenden Erſcheinung muthig entgegen treten, — der
Himmel wird mir die Kraft dazu verleihen /
4.

Zbwei Tage waren wieder vergangen. War es

ſellſchaft zu ſehen, oder er befand ſich in ſeinem Zim-
mer eingeſchloſſen, um — wie es hieß — wichtige An-

Zufall oder Abſicht, der Vicomte war nur ſtets in Ge-

ordnungen zu Papier zu bring en und an ſeine zahl-

reichen Freunde und Verwandte zu ſchreiben.
C(äcilie hatte der Madame Müller geſtanden, daß
ſie in dem Gedanken glücklich ſei, Vicomteſſe von Belle-
pierre zu werden und an der Seite dieſes Mannes in
der Welt zu erſcheinen. Sie freute ſich, wie Kinder
ſich frenen, auf Reiſen zu gehen, dieé Merkwürdigkeiten
und den Glanz großer Städte zu ſchauen und ſich im
Mittelpunkte der höchſten Lebenskreiſe zu bewegen.
Dort nur allein würde ſie Befriedigung finden, das ſei

ihre Beſtimmung. Traurig hörte ihre Erzieherin dieſe

Aeußerungen an, die ſo ſehr von ihren Anſichten ver-
ſchieden waren, die ſie durch Lehre und Beiſpiel bis
jetzt bemüht geweſen war, ihrem geliebten Zöglinge
einzuprägen. Sie fah bekümmert, wiertief der fremde
Einfluß in dieſes jugendliche Gemüth eingedrungen
war; ſie ſah den verderblichen Funken ſchon glimmen,

der dieſen einfachen Sinn zerſtören und jene Flamme
anfachen würde, welche die gährenden Leidenſchaften

entzünden ünd den Menſchen von der Höhe eines ge-

träumten Glückes plötzlich in den Abgrund der gänz-

lichen Vernichtung ſchleudern. —*
Cäocilie hatte ſich auch Georg offenbart, der mit
gebrochenem Herzen es ſeiner theilnehmenden Freun-
din erzählte.

zu beiuchen, wo ſie mit ihrem Gatten wohnen würde.
Sie ſprach ihm davon, daß ſie ihm ſtets Freundin, daß

ſie ihm Schweſter ſein wolle; ſie hatte, als er ſeinen
Schmerz nicht zu verbergen vermochte, auch ihrer Rüh-

rung Worte gegeben; ein Kreuzchen, das Andenken

müßte er von ihr annehmen und
niemals zu vergeſſen.
Der entſcheidende

ihr verſprechen, ſie

Schritt war allein noch übrig,

um den Vicomte an das Ziel zu führen, und dieſen

that er ungeſäumt. Herr v. Berg erhielt einen Brief
von ihm, in welchem er ihn förmlich um die Hand
ſeiner Tochter bat und dabei auf die beſcheidenſte Weiſe

jener Vorzüge Erwähnung that, welche er einer Ge-

burt verdankte, die ihm ein genügendes Vermögen

und einen bedeutenden Rang in der Geſellſchaft gee

währt hatte. Madame Müller empfing die Nachricht

von dieſem Schreiben aus dem Munde des alten Herrn

bald nachdem er daſſelbe erhalten, hatte.
„Sie ſehen mich einerſeits zwar hocherfreut,“ ſagte
Herr v. Berg, nachdem er dieſe Mittheilung gemacht hatte,
„denn ich glaube. daß Cäcilie an der Seite dieſes Man-
nes glücklich ſein wird; ich fühle es oft wie einen
peinigenden Vorwurf in mir aufſteigen, die liebe Toch-

ter durch meine ſelbſtgewählte Einſamkeit und Abge-
ſchloſſenheit um jene Lebensfreuden gebracht zu haben,

zu welcher ſie berufen iſt. Ihre Anlagen werden in

dem Kreiſe, dem ſie fortan angehören wird, die glän-

zendſte Entfaltung erlangen und ſie dann erſt vollkom-

men befriedigen. Die ſorgſame Bildung und Erziehung,
welche ſie Ihnen verdankt, werden ſie vor den Klippen

ſtag. Preis mönaklich L kr. Einzelne Nummer à 2 kr. Man abonnirt in der Druckeret Untereſtr. 9
und bei den Trägern Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten. * —9

Das Mädchen hatte ihn eingeladen, ſie in Paris

ihrer verſtorbenen Mutter, welches ſie am Halſe trug,

bewahren, denen ein junges Herz in der Welt leicht

ausgeſetzt iſt. Allein wenn dieſes alles auch noch ſo
 
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